Christiane Schoelzel organisiert Singstunde für Flüchtlingskinder
Bei "Bruder Jakob" singen alle mit

Fasziniert vom Tanz der Kreisel lernen die Kleinen spielerisch neue Wörter. | Foto: Stadt Kehl
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Kehl (st). „Kreisel, Kreisel dreh dich fein, sonst dreh ich mich ganz allein, denn ich möchte so gerne tanzen…“ Zarte Kinderstimmen erklingen aus dem kleinen Sozialraum in der Flüchtlingsunterbringung in der Iringheimer Straße. Fasziniert schaut die sechsjährige Atefa Rajabi dem hölzernen Kreisel bei seinem Tanz zu. Als das Lied zu Ende ist, kommt der kleine Ali Maleki an die Reihe. Mit kindlicher Begeisterung schnappt er sich seinen Lieblingskreisel – ein summender Brummkreisel – und lässt ihn sich so lange drehen, bis die nächste Strophe des Liedes gesungen ist. Atefa und Ali sind jeden Donnerstagabend ganz vorne mit dabei, wenn Christiane Schoelzel in das Flüchtlingsheim kommt, um den dort lebenden Kindern ehrenamtlich die deutsche Sprache näher zu bringen. Entstanden ist das Sing- und Spielstundenprojekt mit der Unterstützung der Integrationsbeauftragten der Stadt Kehl, Raya Gustafson und Aurore Wenner.

„Ich habe mich irgendwann gefragt: Was kann ich gut und wie kann ich damit anderen Menschen helfen?“, erklärt Christiane Schoelzel. Dass die Antwort „singen, sprechen und spielen“ lautet und sie genau damit Flüchtlingskindern helfen könnte, das wurde der 60-jährigen Pädagogin schnell bewusst.

Die verschiedenen Tätigkeiten, die sie im Laufe ihres Berufslebens ausführte, waren allesamt von dem Thema „Sprache“ geprägt. Seit zwölf Jahren hat Christiane Schoelzel ihren Schwerpunkt dabei mehr und mehr auf die Arbeit mit Kindergartenkindern gelegt. In der Kindertageseinrichtung Kreuzmatt unterstützt sie die Kinder seit vier Jahren nicht nur beim Erlernen der deutschen Sprache, sondern auch dabei, ihre eigene sprachliche Identität zu erhalten. „Jeder ist mit seiner Muttersprache und ihren ganz eigenen Klängen verbunden, denn sie ist Ausdruck unserer Wurzeln und damit das Wichtigste, was wir haben“, betont Christiane Schoelzel. Dass eine Sprache am besten mithilfe von Klang, Rhythmus, Bildern und Bewegungen vermittelt werden kann, das habe sie als Deutsch- und Französischlehrerin im jeweils anderen Land oft erlebt.

„Ich kenne kaum ein Kind, das nicht gerne singt oder zu dem ich keinen Zugang über Lieder und die Musik bekomme“, erzählt Christiane Schoelzel. Gleichzeitig sei sie sich der heilsamen Kraft der Musik bewusst, die Menschen und gerade Kindern, die in ihrem Leben bereits zu viele schlimme Dinge erlebt und gesehen haben, Trost spenden könne.

„Herzlich willkommen wünschen wir, herzlich willkommen euch allen hier. Schaut euch ins Gesicht und dann fasst euch an den Händen an“, singt Christiane Schoelzel beispielsweise mit den Kindern, bevor es in den nächsten Strophen um die Knie, Schultern oder den Kopf geht und die Kleinen dadurch spielerisch die Ausdrücke für verschiedene Körperteile kennen lernen. „Die Kinder merken gar nicht, dass sie lernen, weil es ihnen Spaß macht“, sagt sie. Und Spaß ist auch das vorrangige Ziel der Singstunde, denn wenn Christiane Schoelzel die Kinder abends in der Flüchtlingsunterbringung besuchen kommt, haben diese in der Regel schon einen anstrengenden Schul- oder Kindergartentag hinter sich. Darum ist sie auch verständnisvoll, wenn die Kleinen mal weniger aufmerksam sind und sich nicht auf neue Worte oder schwierige Lieder konzentrieren, sondern lieber spielen wollen, ohne dabei zu lernen.

„Ich biete den Kindern immer wieder Neues an, mache mit ihnen jedoch nur das, worauf sie Lust haben, so werden sie nicht überfordert, und über alles, was in ihren Köpfen hängen bleibt, bin ich froh“, betont die gebürtige Niedersächsin, die seit 30 Jahren in Straßburg lebt. Darum dürften die Kinder auch selber entscheiden, welche Lieder sie gerne singen möchten. So wünsche sich ein Mädchen beispielsweise immer „Kling Glöckchen“, „Bruder Jakob“ sei dagegen bei allen Kindern der Renner. Gerne denkt sich die kreative Pädagogin auch selber Lieder und Spiele aus. „Was andere wegwerfen, können wir super zum Spielen nutzen, außerdem regt das die Fantasie der Kinder an“, sagt Christiane Schoelzel und packt einen großen Beutel mit alten, einzelnen Kindersocken aus, die man passend zum selbsterfundenen Sockenlied in die Luft schnipsen oder für allerlei andere Spiele nutzen kann. Selbst die Glasflasche Emilie bereitet den Kindern viel Freude und schult beim „Flaschenflöten“ gleichzeitig die Mundmotorik der Kleinen.

Zu dem Entschluss, sich ehrenamtlich für Flüchtlinge zu engagieren, habe ein Schlüsselerlebnis vor drei Jahren geführt, erzählt Christiane Schoelzel. Bei einem Aktionskonzert des Musiknetzwerks „lebenslaute“ vor dem Abschiebegefängnis in Eisenhüttenstadt solidarisierte sich die Gruppe, die sich bundesweit für politische Themen engagiert, mit einem Protestcamp für Geflüchtete. Als die Stimmung zwischen den demonstrierenden Musikern und der Polizei zu kippen drohte, stimmte die Gruppe einen Kanon an, die aufgewühlte Atmosphäre habe sich daraufhin schnell entspannt. Dadurch sei ihr bewusst geworden, welche Kraft Gesang und generell die Musik Menschen geben kann – was in ihr den Wunsch reifen ließ, den Flüchtlingen in Kehl genau damit zu helfen.

Mit ihrer Idee wandte sich Christiane Schoelzel an die städtische Integrationsbeauftragte Raya Gustafson. Diese unterstützte die Pädagogin dabei, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen und ist auch jetzt noch Ansprechpartnerin bei Fragen und Problemen jeglicher Art. „Bei neuen Projektideen überprüfen wir die Umsetzungsmöglichkeiten, suchen nach Räumlichkeiten oder weiteren ehrenamtlichen Helfern und unterstützen auch finanziell“, erklärt Raya Gustafson. Außerdem werde Helferinnen und Helfern ein Versicherungsschutz für ihre Tätigkeiten angeboten. „Es braucht nichts Großartiges, um Gutes zu tun. Wenn jeder nur ein kleines bisschen hilft, kann das viel bewirken“, betont Christiane Schoelzel, die selbst darauf geachtet hat, sich mit dem Projekt nur so viel zuzumuten, wie sie auch mit Spaß und Freude bewältigen kann, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt Kehl.

Wer sich in seiner Freizeit gerne für Flüchtlinge in Kehl engagieren oder ein eigenes Projekt umsetzen möchte, kann sich an die Integrationsbeauftragten der Stadt Kehl, Raya Gustafson und Aurore Wenner wenden. Sie sind telefonisch unter 07851/881274 und 881275 oder per E-Mail an r.gustafson@stadt-kehl.de und a.wenner@stadt-kehl.de zu erreichen.

Fasziniert vom Tanz der Kreisel lernen die Kleinen spielerisch neue Wörter. | Foto: Stadt Kehl
Selbst mit alten Kindersocken haben die Flüchtlingskinder gemeinsam mit Christiane Schoelzel viel Spaß. | Foto: Stadt Kehl

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