Fußnote, die Glosse im Guller
Klopapier gegen Säbelzahntiger

Bereits im Sommer wurde vor einer zweiten Corona-Welle im Herbst gewarnt. Kluge Klopapierhersteller hatten deshalb in der ruhigeren Zeit ihre Produktion weiter angekurbelt. Und sie hatten recht: Denn die Nachfrage nach Toilettenpapier steigt überproportional mit der Sieben-Tages-Inzidenz.

Eiserne Reserve

Ich habe großes Verständnis für Vorratshaltung. Tatsächlich gibt es in unserem Haushalt immer ein paar Päckchen Gummibärchen als eiserne Reserve. Die Vorstellung, in schlechten Zeiten ohne die süßen Seelentröster dazustehen, bereitet mir nämlich eine gewisse Sorge. Immer, wenn Claus Kleber oder Gundula Gause im Fernsehen ausschließlich schlechte Nachrichten verkünden, öffne ich den Schrank und weiß: Ich habe in Krisenzeiten kalorienreiche Kumpels zur Seite. Dabei breitet sich ein gewisses Gefühl der Sicherheit aus. Beim Anblick von Klopapierrollen hat sich das aber noch nie eingestellt. Doch die Menschen sind verschieden und andere Leute hamstern halt lieber Hygienepapier. Das war in der ersten Corona-Welle so und scheint sich nun zu wiederholen.

Psychologe im Radio

Unlängst äußerte sich im Radio sogar ein Psychologe dazu, warum manche in Krisenzeiten ausgerechnet Klopapier horten. Da mir als gemeiner Gummibärchentyp das ein großes Rätsel ist, spitzte ich natürlich gespannt die Ohren.
Wenn ich ihn richtig verstanden habe, geht das Phänomen auf einen Urinstinkt zurück, den schon Steinzeitmenschen hatten, wenn ein Säbelzahntiger vor ihnen stand. Diese waren ihnen äußerst feindlich gesonnen, weshalb das für unsere Vorfahren Stress pur war. Je nach Charakter erstarrten die Steinzeitmenschen deshalb vor Angst oder sie kämpften. Konnten sie den Kampf für sich entscheiden, stellte sich entsprechend wieder Wohlbefinden ein. In unserer heutigen stressbelasteten Zeit ist das stille Örtchen eine Stätte des Rückzugs und der Entspannung. Allerdings leidet die Aufenthaltsqualität für viele erheblich, wenn es dort kein Toilettenpapier gibt. Solches zu hamstern, ist folglich eine Art von Kampf gegen den modernen Säbelzahntiger Corona. Okay, ich kann das nicht so gut erklären wie der Psychologe. Vielleicht war das der Grund, warum der Mann, der mit mir Tisch und Bett sowie sogar die Klopapierrollen teilt, auf meine Erzählung hin einen Lachkrampf bekam. Seine These: Wer sich vor dem Säbelzahntiger Corona vor Angst in die Hosen macht, will wenigstens Toilettenpapier haben.
Anne-Marie Glaser

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