Das kanadische Militär in Lahr
Richard "Paul" Garneau träumte von der großen Welt

Paul und Sibylle Garneau heute | Foto: Glaser
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Lahr (ag). Als sich Richard Garneau 1967 beim kanadischen Militär verpflichtete, war er gerade einmal 17 Jahre alt. Der Junge aus Thetford-Mines in der Provinz Quebec träumte davon, etwas von der Welt zu sehen. Als Soldat hatte er gute Chancen dazu. Und tatsächlich, ein Jahr später wurde er für sieben Monate nach Zypern versetzt, danach in das deutsche Werl bei Soest und 1970 nach Lahr.

"Für mich war das damals ein großes Abenteuer", erinnert er sich heute zurück. Inzwischen ist er 72 Jahre alt. Der verheiratete Vater von zwei erwachsenen Kindern ist längst in Rente. Aber er lebt immer noch in Lahr – oder besser gesagt wieder. Dass er in Wirklichkeit Richard heißt, wissen nur die wenigsten.

Der Name blieb hängen

Als ein Vorgesetzter ihn als ganz jungen Soldaten spaßeshalber Paul nannte, ist der Name irgendwie an ihm hängengeblieben. Ehefrau Sibylle erfuhr erst zwei Monate vor der Hochzeit, als die beiden gemeinsam im Konsulat die erforderlichen Papiere durchgingen, seinen echten Vornamen, erzählt sie mit einem Lachen. "Er blieb dann für mich aber Paul."
Die gebürtige Lahrerin und der Frankokanadier lernten sich 1972 über Freunde kennen. Nach dem Abzug der Franzosen 1967 beherrschten inzwischen Fahrzeuge mit kanadischen Nummernschildern das Straßenbild der Garnisionsstadt. In den Gaststätten und auch Geschäften waren öfters Unterhaltungen auf Englisch oder Französisch zu hören. "Das gab Lahr damals schon einen gewissen Flair, etwas Weltoffenes", erinnert sich Sibylle Garneau. Intensiver Austausch war in den 70ern zwischen den Militärangehörigen und den Einheimischen aber selten, wie ihr Ehemann ergänzt: "Ich wohnte wie die meisten alleinstehenden Soldaten damals in einer der Baracken auf dem Flugplatz." Verheiratete lebten zwar außerhalb, beispielsweise im Glockengumpen, wie der Kanadaring damals noch hieß. Doch selbst, wenn die Ehefrau Deutsche war, blieben die Familien dort im Wesentlichen unter sich. Und einige Soldaten heirateten einheimische Fräuleins. Solche kennenzulernen, bestand durchaus Interesse. Gelegenheit dazu gab es vor allem an den Wochenenden in den zahlreichen Diskotheken und Bars. "Ich war gerne in der 'Tenne-Bar' neben dem Alten Rathaus", berichtet Paul Garneau. "Es war die Stamm-Disco vieler Frankokanadier damals."

Gern gesehene Gäste

Die Kanadier waren in der Lahrer Gastronomie gern gesehene Gäste. Verglichen mit den französischen Soldaten verdienten diese nämlich sehr gut und gaben, wie in ihrem Heimatland üblich, großzügige Trinkgelder. Da sie in Dollar bezahlt wurden, spielte der Kurs beim Umtausch allerdings eine Rolle. "Ende der 60er-Jahre gab es für einen kanadischen Dollar vier Mark, 1972 ging der Kurs runter auf 3,30 Mark", erinnert sich der frühere Soldat. "De facto hatten wir dadurch weniger Geld."

Steuerfrei

Allerdings kauften die Militärangehörigen viele Dinge des täglichen Bedarfs ohnehin in den eigenen Geschäften. Nicht nur Lebensmittel, auch Alkohol und Zigaretten gab es da steuerfrei. Beim Einkauf in deutschen Läden wurde nach dem Ausfüllen entsprechender Formulare ebenfalls die Steuer erstattet. "Das hat sich richtig bemerkbar gemacht, als wir uns nach der Hochzeit einrichteten", erzählt Sibylle Garneau.

"Snowball"

Zweimal lebte die Familie Garneaux für einige Zeit in Kanada, wo sich Sibylle und die Kinder auch sehr wohl fühlten. Aber Paul wurde dann wieder nach Lahr versetzt. Überhaupt war höchste Flexibilität gefordert. Wenn, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit, ein Fahrzeug durch die Straßen fuhr und über Lautsprecher der Alarm-Ruf "Snowball, Snowball" erklang, ließen die Soldaten alles stehen und liegen. Später wurde dann über Piepser alarmiert. "Die Manöver wurden vorab angekündigt, Snowball-Alarm nicht", berichtet der ehemalige Soldat. "Einmal war er drei Tage weg und ich hatte keine Ahnung, wo mein Mann war oder wann er wiederkommt. Das war nicht immer einfach", sagt seine Frau. Aber so war halt das Soldatenleben.

Bingo-Abende

Allerdings kümmerte sich das Militär während der Abwesenheit um die Familien. Es gab Veranstaltungen für die Frauen, vor allem die Bingo-Abende sind Sibyll noch in angenehmster Erinnerung. Weniger die offiziellen Banketts, zu denen die Ehefrauen ihre Männer im Abendkleid begleiten mussten. "Das Essen war wundervoll", erinnert sie sich noch. Aber es ging sehr formell zu und alle mussten sitzen bleiben, bis der General aufstand: "Das heißt, es durfte bis dahin auch niemand auf die Toilette, lediglich Schwangere."

Die "Veterans"

Offiziell verabschiedete sich das kanadische Militär 1994 aus Lahr. Sergant Garneau schied aber schon 1992 aus. 25 Jahre hatte er seinem Land als Soldat gedient. Die Familie beschloss in Lahr zu bleiben und er fand Arbeit bei Nestler Wellpappe.
Er ist nicht der einzige ehemalige Militärangehörige, der geblieben ist. Viele sind es aber nicht. Die "Veterans" wie sie sich nennen, treffen sich immer freitags in einer Gaststätte auf dem Flugplatz zum Stammtisch. Natürlich wird am 1. Juli der Nationalfeiertag gemeinsam gefeiert. Und wenn sich hoher Besuch in Lahr aus der alten Heimat ankündigt, werden sie oft sogar offiziell von der Stadt eingeladen, zuletzt auf die Landesgartenschau. Immerhin spielten die Kanadier in der Schächtelestadt einst eine wichtige Rolle.

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