Angedacht
Zeit für Loslassen und Atemholen

Pfarrer Heinz Adler | Foto: privat

Die Ferienzeit ist schon lange vorbei. Manchen geht es so, als sei der Urlaub gar nicht gewesen; die Hektik des Alltags hat sie schon lange wieder eingeholt und was an Erholung da war, längst wieder gefressen. Wir hecheln durch den Alltag und was dann ersehnt wird, sind die nächsten Ferientage, an denen wir dann mit hängender Zunge ankommen.

Arbeiten, Malochen und Atemholen, Loslassen – dieser heilsame Wechsel – gelingt den meisten immer weniger. Dabei wäre es beneidenswert, klar zu unterscheiden, welche Zeit nun gerade dran ist und was dies für das Leben bedeutet.

Wir schütteln nur schlecht die Last der Arbeit ab, nur selten gelingt es uns, wirklich loszulassen, was uns Tag für Tag im Griff hat. Die Probleme gehen meist mit uns, die Sorgen lassen sich so leicht nicht aus dem Kopf schlagen.

Aber nötig hätten wir es, dass wir Abstand gewinnen, für eine Zeit von dem, was uns sonst so umtreibt. Nötig hätten wir die Muße zum Atemholen, nötig hätten wir das Loslassen. Nötig hätten wir die Fähigkeit, zu unterscheiden zwischen den Zeiten, die unser Leben prägen: Ferien sind Ferien, Arbeit ist Arbeit, Werktag ist Werktag und Sonntag ist Sonntag.

Und meist ist es ja so, die Arbeit und die Probleme und die Sorgen laufen uns nicht davon, sie werden wieder da sein, wenn wir aus den Ferien zurückkehren. Aber wenn wir sie mitschleppen, wenn wir ihnen weiter huldigen, indem wir sie wirken lassen in uns und unserem Kopf, dann wird uns das Atemholen nicht wirklich gelingen. Ohne Loslassen also kein wirkliches Atemholen, ohne Unterscheidung der Zeiten keine Erholung. Wieso haben wir das verlernt?

Da waren unsere Altvorderen voll größerer Weisheit, sie wussten noch: Alles hat seine Zeit. Geborenwerden hat seine Zeit und Sterben hat seine Zeit; Pflanzen hat seine Zeit und Gepflanztes ausreißen hat seine Zeit; Umarmen hat seine Zeit und sich der Umarmung enthalten hat seine Zeit; Suchen hat seine Zeit und Verlieren hat seine Zeit; Aufbewahren hat seine Zeit und Wegwerfen hat seine Zeit; Schweigen hat seine Zeit und Reden hat seine Zeit; Lieben hat seine Zeit und Hassen hat seine Zeit...

Warum nur haben wir das verlernt? Liegt es daran, dass wir selbst in unserer Woche keine Unterschiede mehr machen; der Sonntag verlebt wird, wie die Werktage?

Abstand vom Alltag und Atemholen gelingt übrigens am besten in einem Gottesdienst. Probieren sie es wieder einmal aus!

Heinz Adler
Pfarrer Meißenheim

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