Thema Organspende
Oft emotionale Gespräche mit Angehörigen

Der Organspendeausweis ist für Ärzte das klare Signal, was beim Hirntod getan werden kann, und sollte immer parat sein. | Foto: Foto: ag
  • Der Organspendeausweis ist für Ärzte das klare Signal, was beim Hirntod getan werden kann, und sollte immer parat sein.
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Offenburg (rek). Es ist für Betroffene eine höchst emotionale Situation, wenn ein Angehöriger verstorben ist. Wenn sich dann noch zeitnah die Frage, ob eine Organspende möglich ist, stellt, gibt es oft zusätzliche Tränen der Trauer. Diese emotionale Herausforderung schildert Dr. Bernhard Gorißen, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme am Ortenau Klinikum in Offenburg und Organspendebeauftragter, im Gespräch mit der Guller-Redaktion die Situation zum Tag der Organspende am gestrigen Samstag.

"Hat der Verstorbene seinen Willen durch einen Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung nicht schriftlich hinterlegt, suchen wir das Gespräch mit den betroffenen Angehörigen", so Gorißen. So werde versucht, die Einstellung des Verstorbenen zu dem Thema zu beleuchten. Schließlich kann der Wille auch mündlich bekundet worden sein.

Durchschnittlich in fünf Fällen pro Jahr besteht im Ortenau Klinikum die Notwendigkeit, bei Angehörigen das Thema Organspende anzusprechen. In der Hälfte dieser Fälle erteilen die Angehörigen die Zustimmung zu Organspenden, nennt Gorißen Zahlen. "Es ist nicht meine Intention, die Angehörigen zu überreden", stellt Gorißen die Informationen in den Mittelpunkt. Als erstes, so der Chefarzt, müssten die Hinterbliebenen die Tatsache des Todes mit dem "unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen", akzeptieren. Wie geht es jetzt weiter? Diese Frage bietet den Einstieg in das intensive Arzt-Gespräch. Während dieser Phase versorgen Apparate die Organe weiter.

"Um den Angehörigen die Unumkehrbarkeit des Hirntods zu erklären, zeigen wir ihnen auch medizinische Untersuchungen", beschreibt der Chefarzt das Vorgehen. "Im letzten Schritt müssen die Angehörigen die Entscheidung treffen", macht Gorißen klar. In dieser Phase besteht kein unmittelbarer zeitlicher Druck für eine Entscheidung. "Der Organfunktionserhalt kann für einige Stunden aufrechterhalten werden", so dass Angehörige auch weitere Gespräche führen oder eine Nacht darüber schlafen können. Dadurch wird den eigenen Überlegungen die Emotionalität genommen, so Gorißen.

Organspende auf niedrigem Niveau

"Die Bereitschaft für Organspenden dümpelt auf einem niedrigen Niveau", so Gorißen. Er bemängelt damit die meist fehlende schriftliche Zustimmung. Eine grundsätzlich positive Einstellung der Deutschen ist vorhanden, gibt der Klinikums-Arzt Umfrage-Zahlen wieder. Eine Diskussion in dieser Woche mit Schülern des Offenburger Schiller-Gymnasiums hat ihm gezeigt: "Jugendliche haben eine erfreulich positive Grundhaltung zu dem Thema."

933 bundesweit durchgeführte Organspenden im vergangenen Jahr wertet der Chefarzt als enttäuschende Zahl. "Wir waren im Jahr 2012 bei 1.024 Organspenden und wollten die Zahl weiter steigern", erinnert Gorißen. Dann kam der Skandal um Organspenden. "Die Zahl von 1.000 haben wir seither nicht wieder erreicht", bedauert Gorißen. Der Ortenauer Chefarzt fordert einen neuen politischen Anlauf für die Widerspruchslösung. Das würde bedeuten: Wer nicht ausdrücklich einer Organentnahme widerspricht, steht damit als Spender zur Verfügung.

Zum Tag der Organspende hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach diese Diskussion erneut auf die politische Agenda gesetzt. Schneller, als Dr. Bernhard Gorißen dies vermutet hat.

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