150 Jahre Franziskanerinnen in Gengenbach
Traum des Pfarrers Berger wirkt bis heute im Kloster

Das Mutterhaus der Franziskanerinnen in Gengenbach auf dem Weiherfeld.  | Foto: Foto: Heinz Himmelreich
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  • Das Mutterhaus der Franziskanerinnen in Gengenbach auf dem Weiherfeld.
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Gengenbach. Der Wind der Geschichte weht mal schwächer oder stärker in der Ortenau. In unserer
Serie „Hier wurde Geschichte geschrieben“ beschäftigen wir uns mit
Ereignissen, die sich in das Gedächtnis der Menschen eingegraben haben.
Sie können weit in der Vergangenheit liegen oder erst ein paar Jahre
zurück.

Sichtbare Spuren haben die Franziskanerinnen in Gengenbach hinterlassen. Entstanden ist es durch eine Vision des
Pfarrers Wilhelm Berger. 1834 in Achern geboren, erkannte er später als
Pfarrer das Leid der Landbevölkerung und führte in Seelbach junge Frauen
zu einer religiösen Gemeinschaft zusammen. Diese Gemeinschaft wirkt
heute noch als „Franziskanerinnen vom göttlichen Herzen Jesu“ in
Gengenbach. Die Kongregation feiert in diesem Jahr ihr 150-jähriges
Bestehen, sie erhält keine Anteile von der Kirchensteuer, sondern hat
sich schon immer selbst finanziert. Im Jubiläumsjahr leben 192
Schwestern in 15 Konventen zusammen.

Für den heiligen Franziskus war die Begegnung mit dem Aussätzigen ein Schlüsselerlebnis. Für
Wilhelm Berger war es die Begegnung mit einer kranken, halbverdursteten
Frau auf einem einsamen Bauernhof. Für ihn bedurfte es nicht nur frommer
Worte, sondern Hilfe von Menschen, die sich der kranken und von
Verwahrlosung bedrohten Bevölkerung annahm. Berger fand einige junge
Frauen, die sich karitativ engagieren wollten. Zwölf ließen sich in der
Krankenpflege ausbilden. Nachdem Wilhelm Berger 1866 als selbständiger
Pfarrer in Seelbach eingesetzt wurde, wollte er seine Vision einer
Schwesterngemeinschaft verwirklichen. Gründungstag war der 2. Juli 1866
am Fest Maria Heimsuchung auf dem Lenzlishof mit sechs jungen Frauen.
Drei Monate später wurde in das „Gasthaus Ochsen“ umgezogen. Am 4.
September 1867 konnte der Tretenhof erworben werden. Wilhelm Berger sah
sich seinem Lebensziel, der Gründung einer Schwesterngemeinschaft
ziemlich nahe. „Barmherzige Schwestern vom heiligen Franziskus“ nannte
sich die Gemeinschaft vom Tretenhof. 1876 zählte sie bereits 60
Mitglieder auf elf Filialstationen.

Am 23. Februar 1876 wurde die junge Gemeinschaft aufgrund des kirchenfeindlichen Kulturkampfes
durch einen ministeriellen Erlass der badischen Landesregierung verboten
und aufgelöst. Die Schwesterngemeinschaft musste den Tretenhof
verlassen. Unter Leitung von Anastasia Bischler wanderten 27 Schwestern
nach Amerika aus. Die restlichen Schwestern fanden im Spital in
Gengenbach eine neue Heimat und in den schon bestehenden Filialen.
Schwester Notburga wurde unter ihrem weltliche Namen Walburga Benz als
Krankenhauswärterin eingestellt und hatte das Recht, Personen
einzustellen. Allerdings war es ein Schwesternleben im Untergrund, denn
die Gemeinschaft existierte offiziell nicht mehr. Berger sorgte für die
geistliche Begleitung und berufliche Aus- und Weiterbildung. 1886
beschlossen die Schwestern den Verkauf des Tretenhofs in Seelbach und
kauften das Bahnhofsrestaurant in Gengenbach sowie Gelände im
Weiherfeld. Der Grundstein für das Mutterhaus war damit gelegt.

1887 konnte ein weiteres Gebäude im Weiherfeld erworben werden. Die erste
Haushaltungsschule St. Anna wurde gegründet und die erste
Paramenten-Anstalt fand dort ihren Platz. 1888 wurde die zweite
Haushaltungsschule „St. Maria“ in Bruchsal gegründet, nur zwei Jahre
später die dritte „St. Elisabeth“ in Freiburg, 1889 das
Studentenwohnheim „Albertusburse“ in Freiburg. 1891 erhielt die
Gemeinschaft die kirchliche Anerkennung. Das erste Generalkapitel fand
statt bei dem Schwester Antonia Spinner von Maisenbühl bei Oberkirch zur
ersten Generaloberin gewählt wurde.

Für die Nonnen entstanden immer neue Tätigkeitsfelder. Sie arbeiteten nicht nur in Krankenhäusern,
sondern auch in Kindergärten, Kinderkrippen, Erholungsheimen,
Kinderheimen, Industrieschulen, Haushaltungsschulen, Nähschulen und der
Betreuung von Kranken in der häuslichen Krankenpflege und sogar in Chile
sowie Peru. 1929 entstand das Kindergärtnerinnenseminar in Gengenbach,
1945 das St. Josefshaus in Engelberg in der Schweiz, 1956 die St.
Josefsklinik in Offenburg, 1966 der Neubau der Katholischen Fachschule
für Sozialpädagogik in Gengenbach. Der Bau des Wohn- und Pflegeheims
„Haus Bethanien“ auf dem Abtsberg in Gengenbach wurde 1971 gebaut. Das
erste Aids-Hospiz in Deutschland, „Haus Maria Frieden“ in
Oberharmersbach, wurde 1990 eröffnet.

Hochzeit des Klosters war um das Jahr 1966: 1369 Schwestern waren auf 237 Stationen tätig. Ihre
Zahl ging dann zurück. Einrichtungen wurden in andere Hände übergeben,
2010 beispielsweise der Verkauf der „St. Josefsklinik“ mit
Krankenpflegeschule an den Ortenaukreis. Einen besonderen Ruf hat die
Paramenten-Werkstatt, dort wurde zum Beispiel für Papst Benedikt XVI.
anlässlich seines Besuches in Freiburg ein Messgewand gefertigt. Aber
auch Kerzen und weitere Gegenstände werden von den Nonnen dort
hergestellt und sind zu kaufen. Der Traum des Pfarrers Wilhelm Berger
wirkt also bis heute im Franziskanerinnen-Kloster in Gengenbach.

Autor: Daniel Hengst

Das Mutterhaus der Franziskanerinnen in Gengenbach auf dem Weiherfeld.  | Foto: Foto: Heinz Himmelreich
Sr. Benita bestickt eine Stola in den Paramentenwerkstätten.

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