Leben im Widerstand gegen Gewalt und Diskriminierung

Hedy Epstein bei ihrem Elternhaus in Kippenheim, wo eine Gedenktafel angebracht wurde. | Foto: Foto: Sandra Decoux-Kone
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Kippenheim/St. Louis. Vergangenen Montag ging die Nachricht um die Welt: Hedy Epstein wurde in
Ferguson, einem Vorort von St. Louis, nach einer Demonstration im
Zusammenhang mit der Erschießung des 18-jährigen afroamerikanischen
Schülers Michael Brown durch einen Polizisten in Fesseln zur
Polizeistation abgeführt.

Die 90-Jährige, die am 15. August Geburtstag feierte, in Kippenheim geboren wurde, deren Eltern wie fast
alle Angehörigen von den Nazis 1942 in Ausschwitz ermordet wurden und
die seit 1948 in den USA lebt, geht nicht nur mit dem Verhalten
gegenüber der schwarzen Bevölkerung in Amerika hart ins Gericht. Ebenso
scharf verurteilt die Jüdin, die wie ihre Eltern aber Antizionistin ist,
den Umgang des Staates Israel mit den Palästinensern. „Was im
Gaza-Streifen vor sich geht, ist ein ganz großes Massaker“, betont sie
im Gespräch mit der Guller-Redaktion.

„Skandalös“ findet die Friedensaktivistin, was in Ferguson geschah. „Es kann sein, dass Brown
Zigarren gestohlen hat, aber deswegen ermordet man nicht jemanden“,
betont sie und verweist darauf, dass vor drei Tagen ein Mann, der
psychische Probleme und ein Messer bei sich hatte, in Ferguson ebenfalls
von einem Polizisten erschossen wurde. Epstein: „Ein Messer ist
gefährlich, aber man muss den Mann nicht töten, sondern könnte ihm auch
in die Beine schießen.“

„Die Schwarzen sind unterdrückt und immer verdächtigt“, schildert sie ihre Erfahrungen in den USA: „Wenn ich mit
meiner weißen Haut auf die Straße gehe, sagt ein Polizist vielleicht
‚Guten Tag‘ zu mir, ein Schwarzer aber wird sofort verdächtigt, dass er
irgendetwas getan hat, zum Beispiel gestohlen.“ Und was ist mit dem
dunkelhäutigen Präsidenten Obama? „Manche Leute“, sagt sie, „behaupten,
dass er nicht in Amerika geboren wurde.“

Jetzt in die Schlagzeilen geriet Hedy Epstein, nachdem sie sich zusammen mit anderen
zum Haus des Gouverneurs in St. Louis begeben hatte, um ihn dazu
aufzufordern, auf die Situation nach dem Tod von Michael Brown
deeskalierend einzuwirken. Polizei und andere Sicherheitsleute waren da,
erklärten, dass der Gouverneur und Büromitarbeiter nicht anwesend seien
und die Demonstranten wieder abziehen sollten. Hedy Epstein und acht
Mitstreiter blieben standhaft, wurden gefesselt und zur Polizeistation
gebracht, wo ihre Personalien aufgenommen wurden. Auf den 21. Oktober
ist ein Gerichtstermin wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt
angesetzt.

Widerstand sieht sie auch angesichts der Politik des Staates Israel gegenüber den Palästinensern angebracht. Die Folgen hat
sie selbst am eigenen Leib erlebt. Nach einem Besuch der Westbank wurde
sie fünf Stunden festgehalten, musste sich ausziehen, gar einer
Leibesvisitation unterziehen. Begründung auf Nachfrage: Sie sei eine
Terroristin und Gefahr für die Sicherheit. „Wenn man Israel kritisiert,
ist man ein Verräter“, fasst sie ihre Erfahrungen zusammen und geht so
auch auf Distanz zu Mitgliedern des  Deutsch-Israelischen Arbeitskreises
Südlicher Oberrhein.

Vor rund fünf Jahren wurde am Elternhaus von Hedy Epstein in Kippenheim eine Gedenktafel angebracht. Darauf
steht: „Ohne Kompromisse setzt sie sich seit 1948 ein für soziale
Gerechtigkeit, gegen Diskriminierung, Krieg und Gewalt, wo auch immer
ihr das begegnet.“

Autor: Norbert Rößler

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