Bürgermeister Martin Aßmut engagiert sich
"Die Anfeindungen nehmen zu"

Das "Netzwerk Junge Bürgermeister*innen", in dem sich als einziger Ortenauer Martin Aßmuth (oben rechts) engagiert | Foto: Screenshot: rek
  • Das "Netzwerk Junge Bürgermeister*innen", in dem sich als einziger Ortenauer Martin Aßmuth (oben rechts) engagiert
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Ortenau (rek). Gelöste Radmuttern an Autoreifen, eingeschlagene Fensterscheiben oder ein betonierter Galgen im Vorgarten: Die Angriffe auf Bürgermeister und andere Personen des öffentlichen Lebens nehmen bundesweit zu. Martin Aßmuth ist Bürgermeister von Hofstetten und der einzige Ortenauer Rathaus-Chef, der sich beim "Netzwerk Junge Bürgermeister*innen" aktiv engagiert. Ähnlich gewalttätige Übergriffe sind in der Ortenau nicht vorkommen. Dennoch: "Ich wurde im Beisein meiner Kinder auf offener Straße angeschrien, was diese verstört hat. Kürzlich wurde ganz bewusst die Treppe meines Hauses mit Flyern von Corona-Kritikern ,dekoriert'", berichtet Aßmuth auf Guller-Anfrage. Andere Amtsträger äußern sich eher zurückhaltend.

"Anfeindungen gab es schon vor Corona, aber seit zwei Jahren nehmen sie dramatisch zu", berichtet Aßmuth über Erfahrungen anderer Bürgermeister deutschlandweit. Er nehme wahr, dass sich der Ton sehr negativ verändert habe. "Ein Kollege saß beim Abendbrot mit seinen Kindern, als 700 Spaziergänger mit Fackeln vor seinem Haus standen", so Aßmuth über einen Fall außerhalb der Ortenau und weiter: "Mit meinen Vorfällen kann ich umgehen und wir sprechen darüber in der Familie." Er kenne Fälle von psychologischer Betreuung oder Kollegen, die nicht erneut kandidieren würden.

In dem Netzwerk würden die Bürgermeister einen Austausch pflegen, wo man diskret Vorfälle besprechen könne. "Ich kenne Kollegen aus anderen Regionen, die sich an die Polizei gewandt haben und professionelle Unterstützung erfahren haben. In anderen Fällen wurden Ereignisse damit abgetan, dass man Anfeindungen Kraft Amtes aushalten müsse", kritisiert Aßmuth. "Ich bin froh, dass der Bundespräsident dies kürzlich zum Thema gemacht hat." Seine Erfahrung: Frustration werde an lokalen Amtsträgern ausgelassen, obwohl diese etwa für die Corona-Verordnungen nicht verantwortlich seien. "Als Bürgermeister ist man für die Bürgerschaft jeden Tag greifbar", so Aßmuth.

Er nennt ein Beispiel: Die kurzfristige Entscheidung, Fastnachts-Umzüge zu erlauben, sei aus seiner Sicht grundsätzlich richtig gewesen. "Aber der Eiertanz davor war wieder ein Musterbeispiel dafür, warum Bürger das Verständnis für Politik verlieren." Die aktuellen Auswirkungen in Hofstetten erlebt Aßmuth täglich: "Wir sind eine kleine Gemeinde, wo meist jeder jeden kennt. Corona hat Einfluss auf unser Miteinander." Trotz alledem sei das Thema seines Erachtens im Dorf besser steuerbar als in einer Großstadt, wo der Deckmantel der Anonymität leicht ausgenutzt werde.

Das Netzwerk wurde 2019 gegründet und vertritt rund 680 Kollegen. "Wir stehen für frische Ideen, wie Kommunalpolitik neu gedacht und gemacht werden kann", erklärt Aßmuth sein Engagement: "Uns eint, dass wir nach den besten Lösungen abseits der Parteipolitik für unsere Städte und Gemeinden suchen. Da die Netzwerker digital unterwegs seien, könne man sich schnell quer durch die Republik inhaltlich positionieren.

"Ich liebe meinen Beruf", stellt Aßmuth klar. Die Fertigstellung der Dorfsanierung etwa würden Hofstetten auf Jahrzehnte prägen – "und da habe ich Anteil daran", stellt er zufrieden fest. Es habe aber sicher Situationen gegeben, wo er sich gefragt habe, wieso er sich das antue. Besonders, wenn der Ton nicht mehr stimme oder seine Frau und Kinder hineingezogen würden. Dann kommt Aßmuths Kämpfer-Natur durch: "Ich habe als ehemaliger Ringer ein breites Kreuz."

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