Einschulungstermin
Neuer Stichtag fordert Kommunen heraus

Wenn sich der Einschulungstermin verändert, entstehen in den Kitas Platzprobleme.  | Foto: Symbolfoto: PerWaernborg/pixabay.com
  • Wenn sich der Einschulungstermin verändert, entstehen in den Kitas Platzprobleme.
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Ortenau (set). Der Stichtag zur Einschulung soll vom 30. September auf den 30. Juni vorverlegt werden – so der Beschluss des Bildungsausschusses des Landtages. Ein Gesetzesentwurf ist auch schon in Arbeit.

Unangenehme Herausforderungen für die Städte

Der Beschluss könnte die Kommunen in der Ortenau vor unangenehme Herausforderungen stellen: Gerade Kinder, die eingeschult werden sollten, weil sie im Zeitraum von Juli bis September sechs Jahre alt werden und somit schulpflichtig sind, belegen dann Kitaplätze, die eigentlich schon für nachrückende Kinder fest verplant waren.

"Würde das so beschlossen, dann wären bis zu 135 zusätzliche Kita-Plätze notwendig", sagt Michael Hattenbach, Leiter des Fachbereichs Familien, Schulen und Soziales der Stadt Offenburg. In der Folge "müsste der ohnehin laufende Ausbau noch stärker forciert werden."

Ausbau des Betreuungsangebots soll weitergehen

Einen vergleichbare Meinung vertritt auch die Stadtverwaltung in Lahr. Der Ausbau des Betreuungsangebotes müsse, wie bisher auch, weiter vorangehen. "In der Kürze der Zeit wird die große Lösung allerdings nicht möglich sein, zumal neben den rein räumlichen Bedingungen bekanntermaßen die Fachkräfte knapp sind", erklärt Senja Töpfer vom Amt für Soziales, Schulen und Sport.

Das sieht auch Sino Boeckmann, Gesamtelternbeiratsvorsitzender von Lahr, so: "Fachkräfte sind akute Mangelware und das könnte auch das größte Problem darstellen." Er steht dem Beschluss skeptisch gegenüber: "Sehr viele Kinder im fünften Lebensjahr entwickeln die Lust auf Bildung und da kann der Kindergarten oft nicht weiterhelfen."

Beschluss könnte Lust auf Schule drosseln

Natürlich würden die Kitas Vorschulprogramme anbieten, aber das sei nicht das Gleiche wie Schule. Daher vermute er, dass man den Kindern damit nichts Gutes tun wird. Die Lust auf Schule werde eher wieder gedrosselt, wenn das Kind eine weitere Runde im Kindergarten verbleiben muss.

Auch die Verwaltung in Oberkirch gerät durch den Beschluss in Bedrängnis: "Es gibt so gut wie keine Spielräume mehr bei der Vergabe von Kindergartenplätzen", sagt Pressesprecher Ulrich Reich. "In Oberkirch wären zum Einschulungstermin 2020/2021 insgesamt 47 Kinder davon betroffen, die im Zeitkorridor von Juli bis September 2020 das sechste Lebensjahr vollenden werden."

Wartelisten bereits für das kommende Kindergartenjahr

Das seien immerhin knapp über 25 Prozent des Gesamtjahrgangs. Dies stelle die Verwaltung vor zusätzliche Herausforderungen. "Aktuell werden bereits durch Neu- und Umbaumaßnahmen sowie durch die Umwandlung bestehender Ressourcen zahlreiche neue Kindergartenplätze geschaffen", erklärt Ulrich Reich.

Dennoch gebe es Wartelisten für das kommende Kindergartenjahr. "Weitere bisher geplante Schritte bekommen nun durch die Einschulungsdiskussion nochmals eine neue Dimension", resümiert er.

Kitas in Achern sind "gut bis sehr gut ausgelastet"

Wie in Oberkirch, wären in Achern auch 25 Prozent des Gesamtjahrgangs von einem neuen Einschulungstermin betroffen, antwortet die Stadtverwaltung auf Anfrage. Der derzeitige Jahrgang umfasse derzeit 250 Kinder. Gemessen an der genannten Prozentzahl müssten 63 Kinder den Gang in die 1. Klasse nicht antreten.

Bereits jetzt "zeichnet sich für das kommende Kindergartenjahr 2019/2020 ab, dass die zwölf Kindertageseinrichtungen über das gesamte Jahr gut bis sehr gut ausgelastet sein werden." Aus diesem Grund seien für eben dieses Kindergartenjahr für einige Kitas bereits Erweiterungen der Betreuungsgruppen vereinbart.

In Kehl ist man sich der Problematik bewusst, "jedoch ist eine Entscheidung über die Verschiebung des Stichtags noch nicht gefallen", sagt Pressesprecherin Annette Lipowsky. Doch sollte das Gesetz kommen, dann würde der neue Einschulungstermin auch in Kehl zu Problemen in der Bedarfsplanung der Kitas führen.

Sino Boeckmann ist Gesamtelternbeiratsvorsitzender von Lahr und äußert sich im Interview zum neuen Stichtag für die Einschulung

Wie beurteilen Sie persönlich die Idee eines früheren Einschulungstermins?
Aus meiner privaten Sicht stehe ich dieser Idee sehr skeptisch gegenüber. Da doch sehr viele Kinder im fünften Lebensjahr einfach die Lust auf mehr Bildung entwickeln und hier der Kindergarten oft nicht weiterhelfen kann. Natürlich bieten die Kindergärten verschiedene Vorschulprogramme, wie unter anderem Besuche von Lehrern an, aber das ist nicht das Selbe wie Schule. Aus diesem Grund vermute ich stark, dass man vielen Kindern damit nicht gut tun wird, da die Lust, die da aufsteigt, dann wieder gedrosselt werden muss, wenn das Kind eine weitere Runde im Kindergarten drehen muss (sechste Lebensjahr).
Gerade für viele Kinder die in die Umstellungszeit fallen, denen man erzählt hat, sie kommen im nächsten Jahr in die Schule, um genau diesen Kindern dann sagen zu müssen, sie könnten es vielleicht als Kann-Kind schaffen, aber man kann es ihnen nicht garantieren. Ich kenne nur sehr wenige Kinder, bei denen ich tatsächlich sagen würde, ihnen würde eine weitere Runde im Kindergarten gut tun.

Welche Probleme kommen Ihrer Meinung nach auf die Eltern von schulpflichtigen Kindern zu?
Wie eingangs schon erwähnt, muss man die Erwartung die man aufgebaut hat, an der Stelle vielleicht erstmal wieder zerstören. Sicher schwer fallen wird es aber das Kind - sofern es eine weitere Runde im Kindergarten drehen muss - weiter zu ermutigen die Lust nicht zu verlieren. Nicht nur die Lust auf Neues zu lernen, sondern auch die Lust am Kindergarten. Wenn viele Freunde bereits in die Schule gehen und man als ältestes Kind im Kindergarten ist.
Das, denke ich wird schwer werden für die Eltern, da ich genau das auch schon persönlich mitbekommen habe.

Wenn es zu einem Betreuungsplatzdefizit kommt, wie denken Sie könnte eine Lösung für dieses Problem aussehen?
Es ist ja nicht das erste Defizit dieser Art. Aktuell sieht es mit der Betreuung in Lahr aber doch noch ganz gut aus. Es wird ja auch kräftig investiert. Aber optimal ist das noch nicht. Eine Lösung wäre mit Sicherheit die Stärkung von freien Trägern/Einrichtungen und/oder Tagesmüttern, -vätern. Mit der Schaffung von Räumlichkeiten die den Gesetzen und Pflichten entsprechen wäre sicherlich einiges schon getan. Natürlich müsste man hierzu auch finanziell einiges mittragen.

Vor welche Probleme werden Ihrer Meinung nach die Rathäuser/Kommunen gestellt?
Die Finanzen müssen wieder angepasst, Räume gefunden und natürlich verstärkt nach mehr Fachkräften gesucht werden. Ein ähnliches Thema gab es ja schon 2013, als ein Recht auf Betreuung ab dem ersten Kindesjahr geschaffen worden ist, was natürlich wichtig und richtig war. Aber nichtsdestotrotz schwierig für die Verwaltungen, dass aus dem Stand zu bewältigen. Das klappt ja nun jetzt erst so richtig und auch noch immer nicht perfekt. Insofern wird man sicher Lösungen finden.

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