Kieswirtschaft im Dialog
Austausch über Energiewende und Biodiversität

- Rund 200 Interessierte kamen zum KiWi Forum 2025 im Europapark in Rust.
- Foto: Die Steine- und Erden-Industrie in Baden-Württemberg
- hochgeladen von Matthias Kerber
Rust (st) Wer bei Baggerseen, Kiesgruben und Steinbrüchen nur an Rohstoffabbau denkt, verkenne ihr enormes Potenzial für die Energiewende, den Erhalt der Biodiversität und die geologische Forschung. Beim diesjährigen Forum „Kieswirtschaft im Dialog“ (KiWi) am Oberrhein, das unter dem Motto „Grenzen überwinden – Neues miteinander schaffen“ im Europa-Park stattfand, sei eindrucksvoll aufgezeigt worden, wie vielseitig ehemalige und aktive Abbaustätten genutzt werden könnten, schreibt die Steine- und Erden-Industrie in Baden-Württemberg in einer Pressemitteilung.
Rund 200 Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Naturschutz seien zusammengekommen, um innovative Ansätze für eine nachhaltige Zukunft „rund um den Baggersee“ zu diskutieren. Im Zentrum stand dabei ein Perspektivwechsel: „Baggerseen und Abbaustätten sind weit mehr als Rohstoffquellen“, betonte Thomas Peter, Vorsitzender von KiWi, in seiner Begrüßung. „Sie bieten nachhaltige Energielösungen, bergen faszinierende geologische Schätze und sind Lebensräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten.“ Führende Fachleute aus den Bereichen Umwelt, Wasserwirtschaft und Mineralogie gaben fundierte Einblicke und zukunftsweisende Ausblicke.
Energiegewinnung mit schwimmenden Photovoltaik (PV)-Anlagen
Dr. Joachim Bley, Abteilungsleiter Wasser bei der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), hob das bislang ungenutzte Potenzial schwimmender Photovoltaik-Anlagen auf Baggerseen hervor. Bis zu 25 Prozent der Wasserflächen könnten laut Untersuchungen im Auftrag der LUBW für Solarenergie problemlos genutzt werden – aktuell erlaube das Gesetz jedoch lediglich 15 Prozent. „Wer die Energiewende will, muss sich fragen, woher der Strom künftig kommen soll“, so Bley. Gerade angesichts globaler Unsicherheiten sei eine dezentrale und nachhaltige Stromversorgung, wie sie schwimmende PV-Anlagen bieten, eine vielversprechende Alternative. Über höhere Bedeckungsgrade bis 45 Prozent müsse im Einzelfall entschieden werden. Die Politik sei hier gefordert, den gesetzlichen Rahmen anzupassen.
Seethermie
Ein weiteres innovatives Konzept stellte Dr. Bley mit der sogenannten Seethermie vor – der Nutzung der im Seewasser gespeicherten Wärme. Auch im Winter bleibe das Wasser unter der Oberfläche relativ warm. Diese Energie könne mit Wärmetauschern nutzbar gemacht werden – nach dem Prinzip eines „umgekehrten Kühlschranks“. Ein Beispiel sei der Bodensee, wo bereits seit Jahren Forschungsprojekte zur Seethermie laufen würden, geregelt durch die länderübergreifenden IGKB-Richtlinien von 2014. „Eine Abkühlung des Bodensees um nur 0,2 Grad würde theoretisch ausreichen, um sämtliche Anwohner mit Energie zu versorgen“, erläuterte Bley. Für Baggerseen würden andere Voraussetzungen gelten. Laut Bley könnten 83 der 379 Baggerseen im Oberrheingraben – mit einer Tiefe von über zehn Metern und einem Volumen von mindestens 300.000 Kubikmetern – für die thermische Nutzung in Frage kommen. Eine Abkühlung um nur ein Grad könnte dort bis zu 1.000 Gigawattstunden Energie liefern – genug, um etwa 50.000 Einfamilienhäuser oder 200.000 KfW-Effizienzhäuser zu versorgen. Bis zur praktischen Umsetzung seien jedoch noch weitere Forschungen notwendig.
Abbaustätten
Dass Abbaustätten eine Schlüsselrolle für den Erhalt der biologischen Vielfalt spielten, zeigte Prof. Dr. Gregor Markl, Inhaber des Lehrstuhls für Petrologie & Mineralische Rohstoffe an der Universität Tübingen. In seinem Vortrag „Ästhetik und Vielfalt“ verdeutlichte er, dass Kiesgruben und Steinbrüche seltenen Arten wie dem stark gefährdeten Roten Apollo-Schmetterling einen idealen Lebensraum böten. Diese Arten bräuchten nährstoffarme, offene Flächen – eine Landschaft, wie sie nach dem Abbau oft entstehe. „Das Leben gedeiht dort, wo Mangel herrscht – nicht auf überdüngten Wiesen“, so Markl. Abbaustätten seien deshalb als „Inseln der Biodiversität“ von unschätzbarem ökologischem Wert.
Darüber hinaus lenkte Markl den Blick auf die über 1.000 Erzvorkommen im Schwarzwald, deren Alter und Entstehung er im Hinblick auf die langfristige Rohstoffsicherung erforsche. Die Grube Clara in Oberwolfach beispielsweise zähle dabei zu den weltweit mineralreichsten Fundorten: Sie enthalte rund zehn Prozent aller bekannten 5.500 Mineralarten – darunter Flussspat, aus dem Fluorid für Zahnpasta gewonnen werde, sowie Seltene Erden, die für Magnete und Windturbinen benötigt würden. „Die Erforschung und Sicherung heimischer Rohstoffe ist eine wichtige Zukunftsaufgabe, angesichts wachsender geopolitischer Spannungen“, betonte Markl.
Ein emotionales Highlight des Nachmittags bildete der Vortrag des Extremsportlers Jonas Deichmann. Unter dem Titel „Das Limit bin nur ich – der erste Triathlon um die Welt“ begeisterte er das Publikum mit seiner persönlichen Grenzerfahrung – und es wurde deutlich: Wer Grenzen überwindet kann Neues schaffen.
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