Gerüstet für Praxis
Erste Wildnisteacher im Nationalpark ausgebildet

- Während der Ausbildung erleben die künftigen Wildnisteacher, was sie später weitergeben möchten.
- Foto: Jonas Wolf/Nationalpark Schwarzwald
- hochgeladen von Matthias Kerber
Seebach (st) Naturmaterialien statt Übungsblätter, Lagerfeuer statt Stuhlkreis und als Lernziele: Resilienz und Naturverbundenheit, Selbstwahrnehmung und soziale Verantwortung fördern. In einer neuen Fortbildung des Nationalparks Schwarzwald können Lehrer von Kooperationsschulen zu Wildnisteachern werden, so der Nationalpark Schwarzwald in einer Pressemeldung. „Die Nachfrage nach einer Zusammenarbeit mit uns ist so groß, dass wir bei weitem nicht alle Anfragen bedienen können“, sagt Sebastian Schwab, Leiter der Wildnisbildung im Großschutzgebiet. So entstand die Idee, interessierten Lehrkräften das nötige Wissen und auch eine gute Portion Praxiserfahrung an die Hand zu geben, damit sie selbstständig mit ihren Klassen im Nationalpark oder anderen Naturräumen arbeiten können. Nun haben die ersten 48 Lehrer ihre insgesamt sechstägige Fortbildung im Nationalpark abgeschlossen.
Der Bedarf an solch anderen Lernerfahrungen wird weiter steigen, ist Schwab überzeugt. „In einer immer schneller werdenden, technisierten und digitalisierten Welt sind junge Menschen oft unter Leitungsdruck und mit einer Reizüberflutung konfrontiert, die zu einer Entfremdung von der Natur führen kann. Das ändert sich, wenn Kinder und Jugendlich die Natur wieder mit allen Sinnen erfahren dürfen“, sagt Schwab. Das Legen eines Naturmandalas aus Naturmaterialien erfordert kein perfektes Ergebnis – nur einen stillen, achtsamen Lernraum, indem Kinder kreativ sein können. Beim Übernachten in der Wildnis oder Kochen über dem Lagerfeuer entsteht ein Gefühl von Zugehörigkeit, Gemeinschaft und Verbundenheit. „Aufgabe der Wildnisteacher ist es nicht, alles zu erklären – sondern einfach einen sicheren Rahmen zu schaffen“, erklärt Sebastian Schwab.
Nun können noch viel mehr Schüler von den erprobten Methoden aus der Wildnisbildung profitieren und wichtige Erkenntnisse für den Alltag, ja für das Leben mitnehmen. „Wer sich als Teil eines größeren Ganzen versteht, trifft andere Entscheidungen – für sich, andere, die Natur und für die Zukunft“, sagt Schwab. Und dafür ist es eben elementar, nicht nur digital oder aus Büchern zu lernen, sondern die Natur auch selbst erfahren zu dürfen. „Lernen beginnt im Herzen und über das Erfahren mit den eigenen Händen erreicht es den Verstand“, beschreibt Thomas Fritz, Mitinitiator der Fortbildung, den Ansatz der Wildnisteacher. Gemeinsam mit Andreas Twardon, Wildnispädagoge und abgeordneter Grundschullehrer, führt er durch die einzelnen Module. Noten braucht es in den Lernräumen der Natur nicht – hier steht das Erleben im Vordergrund. „Es geht nicht um Bewertung, sondern um Beziehung – zur Natur, zu sich selbst und zur Gemeinschaft“, sagt Fritz. Was auch für die Wildnisteacher ein Umdenken von der üblichen Schulpraxis fordert.
Natur als Gegenüber, nicht als Kulisse
Natur wird dabei als lebendiges Gegenüber betrachtet und nicht als Kulisse. „Wir möchten anleiten, ihr mit Respekt, Dankbarkeit, Demut und Staunen zu begegnen – unabhängig davon, ob es sich um einen alten Baum oder kleinen Käfer handelt“, betont Twardon. Die Lernorte sind vielfältig. „Ein sich schlängelnder Bach, schmale Wege über Stock und Stein, unter Wurzeltellern und umgestürzten Baumstämmen hindurch. Während der Ausbildung erleben die künftigen Wildnisteacher, was sie später weitergeben möchten: beim Naturhandwerk, beim Forschen mit Lupen und Ohren, beim stillen Sitzen, beim Alleingang im Wald. „Die Methoden haben meinen Blick auf die Kinder verändert“, sagt Steffi Rösch, Gymnasiallehrerin und Wildnisteacherin. „In der Wildnis werden ihre individuellen Charakterzüge sichtbar.“



Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.