Probenbesuch bei dem Stück "Martin Luther" auf der Freilichtbühne in Seelbach
Von der Kunst, Theologie auf die Bühne zu bringen

Probe mit allen Darstellern auf der Freilichtbühne in Seelbach: Christian Peter Hauser (Mitte) als Luther nach der Verbreitung der Thesen in der Menge.  | Foto: Tissot
  • Probe mit allen Darstellern auf der Freilichtbühne in Seelbach: Christian Peter Hauser (Mitte) als Luther nach der Verbreitung der Thesen in der Menge.
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Seelbach (stp). Eine – noch – leere Bühne im Klostergarten steht zum Auftakt als Symbol vor der ersten Probe zur ersten Szene. Am Ende der Probe stimmt die Choreografie: Christian Peter Hauser aus Wien, der den Reformator spielt, ist in einer genauen Inszenierung von den Schuttertäler Darstellern eingerahmt und so gefangen.

Alle Laien-Darsteller aus Seelbach und der Umgebung sind hier das erste Mal zusammengekommen. Die Wienerin Katja Thost-Hauser, die Regie führt und Autorin des Stücks über Martin Luther ist, erklärt zuerst, was sie sich vorstellt: "Mit der ersten Szene hat man das Publikum oder man hat es nicht." Den Auftakt des Stücks über den Reformator machen daher die zu Recht berühmten 95 Thesen, die Luther vielleicht an jenem 31. Oktober in Wittenberg an die Kirchentür genagelt hat. Eine derartige Szene – der Professor stürmt wutschnaubend eine Treppe hoch und hämmert die Blätter ins Holz – wird es nicht geben. Thost-Hauser setzt aber die Bedeutung, der ins Deutsche übersetzten und dank des Drucks rasend schnell verbreiteten Schrift Luthers, als Auftakt um.

Sie erklärt kurz, warum diese Thesen so bedeutend wurden und wie sie das mit den etwa 25 Mimen auch zeigen will. Einige der Darsteller haben Hämmer und Blätter. Sie stellen ein Dutzend der Thesen vor und dann werden die Blätter an nicht vorhandene Wände gehämmert. Die Schläge werden allerdings deutlich vernehmbar sein. Dass die Szene sitzt, erfordert eine sehr präzise Choreografie. Wer tritt wann und von welcher Seite auf, wer sagt was und – der Clou hier – wer gibt wem den Hammer nach dem Anschlag, dass der nächste die Botschaft weiterträgt. Es spricht ausnahmslos für alle Darsteller, dass diese Choreografie bereits bei der ersten Probe schon ziemlich gut sitzt. Fertig ist die Szene allerdings noch nicht: So entsteht jetzt auf der Bühne erst die Idee, dass alle Darsteller einen eigenen Hammer bekommen werden. Diese werden aber dennoch ausgetauscht. Die jüngsten im Team, Pia Franke und Samuel Faißt, welche die "94 – Oh Mann! – 95 Thesen" zuletzt gezählt haben, werden einmal umdirigiert. Vor der Mauer der wütenden Gläubigen stehen sie in der Szene am Ende bedeutend besser.

Die Thesen, die in etwa dem Deutsch der Zeit Luthers vorgetragen werden, sind alles andere als einfach für unsere Ohren. Im Gegenteil, manche der Texte sind heute schlicht und einfach sperrig. Daher hat die Regisseurin verschiedene Arten, wie die Darsteller ihren Text vortragen, vorgeschlagen. Jeder solle, erklärt sie am zweiten Abend, seine These entweder gutheißen oder aber ablehnen. Das, bitte, solle man dann aber auch ganz deutlich sehen und hören: "Ihr müsst euch vorstellen, ihr steht vor dem Aufbruch in eine ganz neue Zeit." Es geht aber auch genau anders herum. Die Thesen sind nicht überall auf einhellige Zustimmung getroffen. Sprich, wenn einige Thesen vorgesprochen werden, dann wäre auch Abscheu eine Möglichkeit der Darstellung. Nach dem zweiten Abend ist bereits klar, dass das der Fall sein wird. Es ist noch nicht einmal dunkel geworden, als es heißt: "Nächste Szene". Die Regisseurin sagt zu den Darstellern: "Ich möchte euch jetzt gerne mein Inferno erklären."

Die Premiere des Stückes "Martin Luther" der diesjährigen Seelbacher Festspiele ist am Samstag, 9. September, um 18 Uhr auf der Freilichtbühne im Klostergarten.

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