Pia Eliana Schwendemann hatte es eilig
Eine geborene Mühlenbacherin

Bürgermeisterin Helga Wössner (v. l.), Sandrina und Pia Eliana Schwendemann sowie Maria Schwendemann | Foto: gro
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  • Bürgermeisterin Helga Wössner (v. l.), Sandrina und Pia Eliana Schwendemann sowie Maria Schwendemann
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Mühlenbach (gro). Knapp drei Monate ist es her, dass die kleine Pia Eliana Schwendemann auf die Welt kam. Sie liegt im Arm ihrer Mutter und schläft, nur manchmal ist ein kleines Glucksen zu hören. Dabei umgibt das Baby etwas ganz Besonderes, denn seit 58 Jahren ist sie die erste echte Mühlenbacherin, die in dem Schwarzwaldort das Licht der Welt erblickt hat.
"Das war eigentlich anders geplant", erzählt ihre Mutter Sandrina Schwendemann. Die junge Frau wollte ihr zweites Kind in einem Geburtshaus in Villingen-Schwenningen bekommen, da ihr eine ruhige, familiäre Umgebung während der Geburt wichtig war und sie danach wieder nach Hause wollte. Alle Vorbereitungen waren getroffen, die betreuende Hebamme war zufrieden mit dem Verlauf der Schwangerschaft. "Ich hatte sogar einen Plan, was zu tun ist, wenn es zu einer Hausgeburt kommt", so Sandrina Schwendemann. "Alle versicherten mir, dass es soweit nicht kommen werde." Doch dann kam alles anders.

Eine besondere Nacht

"Drei Tage vor dem eigentlichen Geburtstermin bekam ich in der Nacht Wehen", berichtet die Mutter. Sie rief unter der Notfallnummer des Geburtshauses an und wurde ausführlich beraten. "Sie haben mir empfohlen, meine Mutter anzurufen, damit sie nach der Großen schaut, während mein Mann und ich nach Villingen-Schwenningen fahren", erzählt Sandrina Schwendemann. Lange Zeit sah es aber nicht danach aus, dass ihr Baby in dieser Nacht schon geboren würde. Doch dann ging alles ganz schnell: "Die Wehen veränderten plötzlich ihren Rhythmus und mir wurde klar, dass wir es auf keinen Fall mehr ins Geburtshaus schaffen", so die junge Mutter. Und so ruhig, wie sie heute die Geschichte erzählt, blieb sie auch während der heiklen Minuten in der Nacht. "Um 3.17 Uhr habe ich zum letzten Mal die Hebamme angerufen und ihr gesagt, dass das Kind nun käme. Auf ihre Empfehlung habe ich meine Mutter gerufen, habe ihr das Telefon gegeben und bin ins Bad gegangen." Dort erblickte keine zehn Minuten später die kleine Pia Eliana das Licht der Welt: "In diesem Moment hatte ich keine Angst. Ich habe instinktiv gehandelt, es war gar keine Zeit, lange darüber nachzudenken. Ich hatte Vertrauen in meinen Körper." Das Kind war gesund, 51 Zentimeter und 3.100 Gramm schwer.

Erst als schon alles vorüber war, hatte es die Hebamme von Villingen-Schwenningen bis nach Mühlenbach geschafft. Sie übernahm die Nachsorge nach der Geburt. "Ich fand es angenehm, nach der Geburt nicht noch im Krankenhaus zu liegen, sondern zu Hause zu sein", so Sandrina Schwendemann. Für die junge Mutter ein Argument für Hausgeburten. Mit einem Blick zu ihrer Mutter stellt sie fest: "Ich war deshalb so ruhig, weil meine Mutter so ruhig geblieben ist. Ich weiß nicht, wie es gewesen wäre, wenn ich sie nicht an meiner Seite gehabt hätte."

Ein Stück Geschichte

"Die letzte Hausgeburt in Mühlenbach war im Jahr 1964", erzählt Bürgermeisterin Helga Wössner, die die junge Familie besuchte und zum neuen Mitglied beglückwünscht. Die ehemalige Gemeindehebamme Theresia Neumaier brachte damals ihren Enkel Edi auf die Welt. Er war bis dato das letzte Kind, das in Mühlenbach geboren wurde. "Theresia Neumaier wurde am 31. Dezember 1901 geboren. Da sie nach ihrer Heirat glaubte, keine Kinder bekommen zu können, begann sie 1924 eine Ausbildung als Hebamme", erzählt Helga Wössner, die sich inzwischen über die Mühlenbacherin kundig gemacht hat. Nur ein Jahr später, 1925, wurde sie vom Bürgermeister verpflichtet und bei der Gemeinde angestellt. "Zwischen den Jahren 1932 und 1941 hatte sie 319 Geburten betreut", weiß Helga Wössner, sogar, dass Theresia Neumaier selbst doch noch achtfache Mutter wurde.

"Sie war als Hebamme oft mehrere Tage auf einem Hof, wenn vorauszusehen war, dass die Geburten problematisch werden könnten oder im Winter Schnee lag." Zu Fuß oder mit dem Fahrrad sei es zu den Schwangeren gegangen, hat die Bürgermeisterin herausgefunden. "Später hat ihre erwachsene Tochter auch Fahrdienste übernommen", so Wössner.
Noch heute sind einige Anekdoten aus dem Leben der Hebamme bekannt. So war sie offensichtlich gegenüber den Ehemännern nicht zimperlich und sorgte dafür, dass die Mütter die notwendige Ruhe bekamen und nicht direkt wieder auf dem Hof arbeiten mussten. "Einmal wurde sie auf dem Nachhauseweg von einem Wildschwein verfolgt, da setzte sie sich wohl auf den Hebammenkoffer und rutschte auf ihm im Schnee den Berg herunter", erzählt die Bürgermeisterin.
Diese Anekdoten, aber auch anderes Wissenswertes hat Christine Maier, Ehefrau des Enkels der Theresia Maier, Edi Maier, aufgeschrieben. Geschichten, über die sich vielleicht auch einmal Pia Eliana amüsieren wird, denn eine Sammlung der Geschichten übergab Helga Wössner Mutter Sandrina. Doch im Augenblick ist die kleine Pia Eliana einfach nur zufrieden, wenn ihre Mutter sie im Arm hat und ahnt nicht, dass ihre Geburt etwas Besonderes umgibt.

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