Handwerk bietet Chancen
"In der Ausbildung wird der Turbo gezündet"

Johannes Ullrich, Präsident der Handwerkskammer Freiburg, zur Lage am Ausbildungsmarkt | Foto: Handwerkskammer Freiburg
  • Johannes Ullrich, Präsident der Handwerkskammer Freiburg, zur Lage am Ausbildungsmarkt
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Ortenau. Die Duale Ausbildung in Deutschland ist weltweit einzigartig. Für die Handwerksbetriebe ist dies die erste Wahl, um den Nachwuchs zu sichern. Christina Großheim sprach mit Johannes Ullrich, Präsident der Handwerkskammer Freiburg, über die Lage am Lehrstellenmarkt und wie hoch die Chancen sind, noch einen Ausbildungsplatz zu ergattern

Wie hat sich der Ausbildungsmarkt im Handwerk entwickelt?
Bis Ende September 2021 wurden im Kammerbezirk 2.241 neue Ausbildungsverträge geschlossen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das ein Minus von 1,9 Prozent. Grund für die sinkenden Ausbildungszahlen sind Einflüsse der demografischen Entwicklung und gleichzeitig sinkende Lehrlingszahlen von Geflüchteten. Die seit 2015 steigenden Zahlen an Geflüchteten, die eine Ausbildung im Handwerk starteten, haben in den vergangenen Jahren für stabile Ausbildungszahlen gesorgt. Mit dem Rückgang der Flüchtlingszahlen ging nun auch ein Rückgang der Ausbildungszahlen einher. Hierbei müssen wir uns entsprechend ausrichten.
Ein weiterer interessanter Aspekt betrifft die Vorbildung der Ausbildungsbeginner. So lag etwa der Anteil der Beginner mit Hauptschulabschluss 2010 noch bei fast zwei Drittel. 2021 nur noch bei einem Drittel, während die Anteile aus Auszubildenden mit mittlerer Reife, Fachhochschul- oder Hochschulreife deutlich angestiegen sind. Dies zeigt: Das Handwerk ist für verschiedene Zielgruppen attraktiv – und muss hier stets up to date sein.

Hat die Coronakrise die Bewerberzahlen beeinflusst?
Die Coronakrise hat die Ausbildungszahlen nicht wesentlich beeinflusst. Die Pandemie wird aller Voraussicht nach jedoch in anderer Hinsicht Auswirkungen auf die Ausbildungszahlen haben: Uns erwartet in diesem Jahr quasi ein doppelter Jahrgang an Schulabgängern. Dies könnte für uns eine Chance auf steigende Ausbildungszahlen sein. Unsere Betriebe stehen jedenfalls bereit. Denn grundsätzlich gilt: Das südbadische Handwerk war und ist auch in Krisenzeiten ein verlässlicher Ausbildungspartner.

Gibt es noch freie Stellen für einen Start in diesem Herbst?
Ja, in fast jedem Handwerks-Bereich sind noch Ausbildungsplätze unbesetzt. Viele unserer Betriebe suchen noch nach passenden Bewerbern. Um Jugendliche und Unternehmen zusammenzubringen, setzen wir als Handwerkskammer unter anderem auf intuitive digitale Lösungen. Junge Menschen können die beliebte Lehrstellenradar-App heranziehen, um nach konkreten Praktikums- und Ausbildungsplätzen in der nahen Umgebung zu suchen. Auch ein Blick in die Lehrstellenbörse der Handwerkskammer oder bei der Agentur für Arbeit lohnt sich, um freie Stellen zu finden.

Welche Fähigkeiten sollten Bewerber für einen Ausbildungsplatz im Handwerk idealerweise mitbringen?
Im Idealfall sollten sie sich ihrer vorhandenen Neigungen und Talente bewusst sein. Wenn ein Berufswunsch bereits besteht, ist es von Vorteil, frühzeitig über Praktika zum einen herauszufinden, ob sich Berufswunsch und Realität decken und zum anderen, ob der jeweilige Betrieb passt. Gute Schulnoten sind bei der Bewerbung in jedem Fall hilfreich. Gerade im Handwerk erleben wir aber auch immer wieder, dass Bewerber mit nicht so guten schulischen Leistungen in der Ausbildung ihren Turbo zünden und mit Topleistungen ihren Gesellenbrief machen. Allgemein sollten die jungen Bewerber motiviert, interessiert, offen und neugierig sein.

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