Forscher mit neuen Perspektiven
Was braucht's, um Natur zu schützen?

 Was braucht der Mensch, um die Natur zu schützen? Gästebefragung im Nationalpark Schwarzwald.  | Foto: Mareike Garms/Nationalpark Schwarzwald
  • Was braucht der Mensch, um die Natur zu schützen? Gästebefragung im Nationalpark Schwarzwald.
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  • hochgeladen von Matthias Kerber

Seebach (st) Es geht um die Verbindung zwischen Mensch und Natur – und letztendlich auch um nicht weniger als die Rettung der Welt. „Wir haben mit dem Klimawandel und dem Artensterben globale Probleme, die die Zukunft unseres Planeten bedrohen und für die wir bis jetzt noch keine Lösung haben“, bringt es Nationalparkleiter Wolfgang Schlund in einer Pressemitteilung auf den Punkt. In diesem Jahr feiert der Nationalpark Schwarzwald seinen zehnten Geburtstag – als eins der kleinsten Großschutzgebiete weltweit. „Und trotzdem leisten wir unseren Beitrag im Verbund mit den Naturschutzgebieten in anderen Ländern“, sagt Schlund. „Indem wir der Natur den Raum geben, ihre eigenen Antworten zu finden.“

Naturschutzgebiete können ihre Wirkung allerdings nur dann entfalten, wenn die Menschen deren Bedeutung verstehen und auch bereit sind, ihr Verhalten zu ändern. „Wir freuen uns sehr, dass wir mit unserem sozialwissenschaftlichen Forschungsteam auch hierzu beitragen können“, sagt die stellvertretende Nationalparkchefin Britta Böhr. „Gemeinsam mit vielen Universitäten und Kooperationspartnern beschäftigen wir uns seit zehn Jahren mit Fragen, die den Menschen in den Fokus nehmen – dass wir das mit eigenen Forschenden und in diesem Umfang tun können, ist eine echte Besonderheit unseres Nationalparks“, betont Britta Böhr. „Dabei ist klar, dass wir die Antworten für die globalen Probleme nur finden, wenn wir Mensch und Natur gemeinsam denken.“

Führungen, Bildungsarbeit, Partnerschaften und Kommunikation leisten ihren Beitrag in der Praxis. Und das Forschungsteam kümmert sich um die wichtige Theorie, den Menschen selbst in seinem Bezug zur Natur besser zu verstehen. Erster Punkt: „Wir müssen wissen, wer zu uns kommt und wer nicht – und warum“, sagt Dominik Rüede, der das sozioökonomische Monitoring im Park leitet. Nach fast zehn Jahren, in denen er ein ausgeklügeltes System aus Zählschranken, Besuchszählungen im Gebiet und Hochrechnungen aus beidem aufgebaut hat, kann er schon mit einigen spannenden Ergebnissen aufwarten. „Seit 2019 haben wir – ohne Sondersituationen wie Corona – zwischen 700 000 und 800.000 Besuche pro Jahr gezählt – und wir wissen recht gut, wie sich diese im Gebiet verteilen, wo zum Beispiel die Hotspots liegen.“ Seine Kollegin Mareike Garms kann diese Zahlen nach einer repräsentativen Gästebefragung vom Sommer 2022 bis zum Sommer 2023 um interessante Fakten ergänzen: „Wir wissen zum Beispiel, dass die Nationalparkgäste zu mehr als 85 Prozent aus Deutschland kommen, überdurchschnittlich gebildet sind und hauptsächlich längere Wanderungen unternehmen“, sagt die Sozialwissenschaftlerin. Und zumindest zu einem großen Teil haben die Gäste auch schon recht konkrete Vorstellungen davon, was sie im Nationalpark suchen: Mehr als die Hälfte möchte zum Beispiel „Wildnis erleben“.

Messbare Vorteile für den Menschen

Dass das Erleben von Natur und Wildnis auch messbare Vorteile für den Menschen mit sich bringt, hat das Forschungsteam in den ersten Nationalparkjahren zeigen können. Eine Studie, die das Erleben der Gäste mit körperlichen Parametern abglich, konnte beispielsweise klar zeigen, dass Spaziergänge in der Natur Erholung fördern. Und ein bestimmter Grad an Wildnis besonders fasziniert und so möglicherweise besonders gut Abstand zum hektischen Alltag und seinen geregelten Strukturen schafft. Aber die Forscherinnen wollen es natürlich noch viel genauer wissen: Wie nehmen die Menschen den Nationalpark und die Natur wahr? Das ist ein Forschungsfeld, mit dem sich Kerstin Botsch und Susanne Berzborn mit ihrem Sachbereich soziokulturelles Monitoring beschäftigen. Sie untersuchen dies auf vielfältigste Weise, von ausführlichen Interviews über quantitative Befragungen bis zu ausgefeilten Untersuchungsmethoden im Gebiet. Mit Eyetracking-Brillen untersuchten die Forscherinnen zusammen mit der Uni Freiburg beispielsweise, welche Strukturen am Wegesrand die Aufmerksamkeit der Gäste besonders fesseln. Mit einem Schildexperiment testete ein Masterand, wie für den Winterschutz der Tiere notwendige Sperrungen sich am erfolgreichsten vermitteln lassen.

Noch recht neu ist das dreijährige, mit Drittmitteln der Volkswagenstiftung finanzierte, Projekt „Von der Einsicht zum Handeln“, gemeinsam mit der Uni Bielefeld und der PH Ludwigsburg. Hier führen die Teilnehmenden ein Tagebuch, um über ihr Handeln stärker zu reflektieren. „Und wir möchten so erforschen, ob eine größere Einsicht auch die Bereitschaft erhöht, das eigene Handeln nicht nur zu überdenken, sondern tatsächlich zu ändern“, erklärt Kerstin Botsch. Der Soziologe Daniel Bräunling promoviert im Drittmittelprojekt und schaut sich genau an, was sich in der Gesellschaft zum Thema Biodiversität finden lässt. „Etwas zu wissen über die Zusammenhänge in der Natur ist der erste Schritt. Aber was brauchen wir Menschen, damit Naturerfahrungen wie hier im Nationalpark nachhaltig weiter wirken und wir schließlich auch im Alltag entsprechend handeln?“, sagt Britta Böhr.

Der Nationalpark Schwarzwald wird diese Verbindung auch in Zukunft weiter erforschen. „Wir können mit unseren beiden Forschungsteams Brücken schlagen und unterschiedliche Perspektiven anbieten“, sagt Wolfgang Schlund. Dazu trägt seit vergangenem Monat auch das zweite kleine Nationalparkzentrum in Herrenwies bei, in dem solche Brücken und Perspektiven für die Gäste erlebbar werden. Denn im Unterschied zum Schwerpunkt Natur im großen Zentrum am Ruhestein, legt das kleinere Haus in Herrenwies den Fokus auf den Menschen und seine Geschichte(n) mit der Natur.

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