Internationale Tagung zur NS-Zeit am Ruhestein
Wenn Ruinen sprechen

 Blick auf wolkenverhangene Schwarzwaldhügel | Foto: Winfried Rothermel
  • Blick auf wolkenverhangene Schwarzwaldhügel
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Seebach (st) Es geht um eins der dunkelsten Kapitel in der deutschen Geschichte und der des Ruhesteins – und um eine lebendige und verbindende Brücke in die Zukunft. Vom 30. April bis 1. Mai beschäftigen sich Forscher aus mehreren Ländern unter anderem im Nationalparkzentrum am Ruhestein mit Adolf Hitlers Aufenthalt im Führerhauptquartier „Tannenberg“ auf dem Kniebs im Sommer 1940. „Unsere Ausgangsthese ist, dass dieses Treffen der Machtelite der Nationalsozialisten die Fährten legte für weitere Gräueltaten der Nazis in Europa“, erklärt der historisch arbeitende Soziologe Dr. Bernd Hainmüller, der gemeinsam mit Dr. Christiane Walesch-Schneller, Vorsitzende des Blauen Hauses Breisach, Bildungs- und Gedenkstätte für die Geschichte der Juden am Oberrhein, die zweitägige Tagung organisiert hat. „Wir wollen herausfinden, was sich in diesen Tagen am Kniebis abgespielt hat und mit wem was besprochen wurde“, sagt er.

Exkursion

„Unser Nationalpark besteht nicht aus vom Menschen unberührter Wildnis – er liegt inmitten in einer vom Menschen in unterschiedlichster Weise sehr stark geprägten Landschaft, womit sich unser sozialwissenschaftlicher Fachbereich auch intensiv beschäftigt. Es ist wichtig, dass wir uns diese Geschichte anschauen, um zu verstehen, was hier passiert ist und auch, um aus der Geschichte zu lernen“, sagt Nationalparkleiter Dr. Wolfgang Schlund. Die Tagungsgruppe – in der Experten der Geschichts- und Politikwissenschaft sowie der Gedenkstättenarbeit aus England, dem Elsass und Deutschland zusammenkommen – wird auch eine Exkursion zu den Überresten der Bunkeranlage am Kniebis unternehmen.
„Wir möchten erforschen, was genau dort passiert ist, und wie das die späteren Ereignisse wie die Annexion des Elsass, die Invasionspläne für Großbritannien und die Deportation von mehr als 6.500 Juden aus Baden, dem Saarland und der Pfalz in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich beeinflusst hat. Diese Lücke müssen wir unbedingt schließen“, sagt Dr. Kerstin Botsch, die den Bereich Soziokulturelles Monitoring und Akzeptanzforschung im Nationalpark Schwarzwald leitet.

Tagung ist erst der Auftakt für das Projekt

Für das große, aus Bundesmitteln finanzierte Projekt ist die Tagung am Ruhestein aber nur der Auftakt. „Fast zwei Jahre lang werden junge Menschen aus Deutschland und Frankreich verschiedene historisch-biografische Projekte und ein Tanzprojekt realisieren“, berichtet Christiane Walesch-Schneller. Die Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Breisach, die 1945 zerstört wurde, was zu einer Unterbrechung der Zugverbindung nach Colmar und ins Elsass geführt hat, soll in absehbarer Zukunft durch eine neue Brücke ersetzt werden. Im Rahmen des Projektes „Brücke für die Zukunft“ werden auch Entwürfe für ein Memorial erarbeitet. „Es soll auch sichtbar daran erinnert werden, dass sieben Züge mit der jüdischen Bevölkerung aus Baden 1940 über die alte Brücke bei Breisach rollten. Das Thema Krieg und Frieden ist sehr präsent“, sagt Walesch-Schneller. Die politisch-historische Bildung von jungen Menschen und deren kreative Impulse werden eine besondere Rolle spielen. Das Blaue Haus Breisach möchte in diesem Zusammenhang einen Beitrag dazu leisten, an die ausgelöschten jüdischen Gemeinden und wenig beachtete Opfergruppen zu erinnern.

Im Mai 2025 wird es ein Tanzprojekt am Rhein geben, am Ort der geplanten neuen Brücke. Dann wird an das Ende der Naziherrschaft vor 80 Jahren erinnert und der Beginn der Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland gefeiert. Mit der „Brücke für die Zukunft – pont de l’avenir“. Auch im Nationalpark sollen die Forschungsergebnisse nachhaltig sichtbar werden. „Wir werden schauen, wie wir die Erinnerung an die Geschehnisse aufzeigen und lebendig halten können – höchstwahrscheinlich in Form einer Broschüre und einer Aufklärung vor Ort im Gelände“, sagt Kerstin Botsch.

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