Neujahrsempfang der Stadt Kehl
Plädoyer für die Rückkehr zu mehr Anstand untereinander

Der Straßburger Oberbürgermeister Roland Ries, Oberbürgermeister Toni Vetrano und Robert Herrmann, Präsident der Eurométropole de Strasbourg, beim Anschneiden der Neujahrsbrezel | Foto: gro
  • Der Straßburger Oberbürgermeister Roland Ries, Oberbürgermeister Toni Vetrano und Robert Herrmann, Präsident der Eurométropole de Strasbourg, beim Anschneiden der Neujahrsbrezel
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Kehl (gro). Es war ein Appell zur Mäßigung, eine Bitte, wieder zum guten Ton zurückzukehren und ein Plädoyer für die Demokratie: Beim Neujahrsempfang in Kehl machte Oberbürgermeister Toni Vetrano keinen Hehl daraus, dass er sich einen anderen Umgangston in der Stadt, aber auch in der ganzen Gesellschaft wünscht.

"Schon lange vor der Erfindung von Facebook und Twitter gab es Stammtischdiskussionen, in denen die Grenzen des Anstandes überschritten wurden", so Vetrano. "Und schon immer gab es Menschen, deren Umgangsformen zu wünschen übrig ließen – nur nicht annäherungsweise in diesem Ausmaß." Vetrano schilderte Beispiele wie Rettungswagen, denen keine Vorfahrt mehr gewährt würde, oder die Tatsache, dass die Feuerwehr sich wegen Gaffer einen Sichtschutz anschaffen oder mehr Sicherheitskräfte bei Bränden einsetzen müsse. Der OB bedauerte, dass ein Gewöhnungsprozess gegenüber Beleidigungen im Alltag eingesetzt habe, der gerade in den Meinungsformen der sozialen Netzwerke weit fortgeschritten sei.

"In den sozialen Netzwerken geht es nicht um Meinungsvielfalt, um Faktenwissen oder konstruktive Kritik, sie wirken als Meinungsverstärker", zeichnete Vetrano die Analyse des Kommunikaktionswissenschaftlers Wolfgang Schweiger nach. "Je mehr Menschen jedoch zunehmend mit Selbstdarstellung beschäftigt sind, desto stärker laufen wir Gefahr, das Gefühl dafür zu verlieren, was es bedeutet, eine Gemeinschaft zu sein, zusammenzugehören", so Vetrano.
Er habe das Thema in dem Bewusstsein, dass seine Rede in den sozialen Medien zerpflückt und mit Kommentaren versehen werde, ausgewählt.

"Damit leben wir, ich kann und will darüber nicht einfach hinweggehen. Ich werde auch nicht alles hinnehmen. Für mich besteht mein berufsethischer Auftrag auch darin, die Demokratie zu schützen. Auch wenn manches in unserem Staat nicht perfekt ist, die auf dem Grundgesetz basierende Demokratie ist die beste Staatsform, die wir auf deutschem Boden je hatten", erklärte Vetrano, der sich für sachliche und konstruktive Kritik sowie Meinungsfreiheit aussprach. "Ich wünsche mir für 2018, dass wir nicht, wie Eva Menasse es ausdrückt, der Wohlstandsverwahrlosung weiter zusehen, sondern dass wir uns wehren, dass wir gegensteuern."

Zu Beginn hatte Vetrano die wichtigsten Stationen des abgelaufenen Jahres noch einmal Revue passieren lassen: Dazu gehörte die Ankunft der Tram und das Fest Ende April, aber auch die Tatsache, dass die Fahrgastzahlen so gut sind, dass über eine Ausweitung des Fahrtaktes nachgedacht wird. Er sprach über die Verlängerung der Linie bis vor das Kehler Rathaus, die nicht nur erfolge, um Zuschüsse zu erhalten, sondern weil sie ein wichtiges Instrument zur Stadtentwicklung sei. Er kündigte die Einrichtung eines verbesserten Bussystems mit der Inbetriebnahme der verlängerten Tramlinie an. Vetrano würdigte das Engagement der Bürgerstiftung Kehl und zeichnete noch einmal die dramatische Entwicklung um das Kehler Hallenbad nach: "Unser sehr ehrgeiziges Ziel lautet, dass wir im Herbst 2021 ein neues Hallenbad auf dem Gelände des Kehler Freibades eröffnen."

Grußworte und Appelle an eine weitere gute Zusammenarbeit kamen vom Straßburger Oberbürgermeister Roland Ries sowie von Robert Hermann, Präsident der Eurométropole Strasbourg, bevor die Neujahrsbrezeln angeschnitten wurden.

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