Probleme im grenzüberschreitenden Geschäftsleben
Im Alltag kann Europa sehr schwierig sein

Lahr (st). Die Grenzen in Europa sind offen aber nicht für alles. Die sogenannten Entsenderegeln, die nun noch verschärft werden sollen, machen es deutschen Handwerkern, Dienstleistern und Industriebetrieben zunehmend schwerer, in Frankreich zu arbeiten. Unternehmen, die Mitarbeiter für vorübergehende Arbeiten nach Frankreich schicken, sind nach dem Entsendegesetz seit August 2015 verpflichtet, dies vor der Aufnahme der Arbeiten der zuständigen Arbeitsmarktinspektion zu melden. Seit Oktober 2016 gab es bereits mehrere Verschärfungen dieses Gesetzes, die massiven bürokratischen und zunehmend auch finanziellen Aufwand für deutsche Firmen zur Folge haben. Bis dahin war die Mitarbeiterentsendung nach Frankreich meist noch kostenlos. Das ändert sich nun und hat zur Folge, dass viele deutsche Betriebe die Kosten an ihre Kunden weitergeben müssen oder andere Konsequenzen, bis hin zum Rückzug aus dem französischen Markt, ziehen müssen.

Lahrs Oberbürgermeister Wolfgang Müller möchte die Thematik auf die Tagesordnung der nächsten Vorstandssitzung des Eurodistrikts Strasbourg-Ortenau setzen lassen. "Von deutschen Regierungsstellen sind – wohl aus Rücksichtnahme gegenüber der neuen französischen Regierung – keine Aktivitäten wahrnehmbar. Es kann nicht sein, dass Paris und Berlin Erklärungen über eine noch engere Zusammenarbeit abgeben und die Wirklichkeit vor Ort zeigt gerade das Gegenteil. Da ist unser Eurodistrikt als kommunale Vereinigung, die rund eine Million Menschen repräsentiert, geradezu prädestiniert, sich dieses Vorgangs anzunehmen. Schließlich ist eines seiner wesentlichen Ziele, grenzbedingte Hürden abzubauen und das grenzüberschreitende Leben der Bürger spürbar zu erleichtern. Dazu ist natürlich auch die Wirtschaft mit dem hier besonders betroffenen Bauhandwerk zu zählen, deren Betriebe unter Protektionismus gepaart mit Überbürokratisierung zu leiden haben. Wie wir dabei am erfolgversprechendsten vorgehen können, wäre noch mit dem Präsidenten des Eurodistrikts, Landrat Frank Scherer, und dem Vizepräsidenten, Oberbürgermeister von Straßburg Roland Ries, abzustimmen. Vielleicht kann dies auch gemeinsam mit Infobest und dem Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz erfolgen. Bei diesen Beratungsstellen sind die am Eurodistrikt beteiligten Akteure beiderseits des Rheins größtenteils ebenfalls eingebunden."

Dass dringender Handlungsbedarf besteht, bestätigen die Ergebnisse einer Umfrage der IHK Südlicher Oberrhein zu der geplanten Verschärfung der Entsenderegeln in Frankreich. IHK-Präsident Steffen Auer: "Für 95 Prozent der 350 Betriebe, die an der Umfrage teilgenommen haben, stellen die Entsendungsformalitäten eine bürokratische Hürde dar, die den Ablauf ihrer Geschäfte behindert." Die IHK ist bereits in Gesprächen mit der französischen Arbeitsinspektion und dem französischen Arbeitsministerium, um eine Vereinfachung bei der Entsendung zu erreichen. Auer: "Wir freuen uns, wenn sich der Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau bei nächster Gelegenheit mit der Problematik befasst. Dies unterstützt unsere Bemühungen." Mit der Kammer im Elsass, der CCI de Strasbourg et du Bas-Rhin, ist die IHK Südlicher Oberrhein ebenfalls schon in engem Kontakt.

Laut IHK-Umfrage haben aufgrund der komplizierten Formalitäten schon jetzt 30 Prozent der befragten Unternehmen ihre Geschäfte in Frankreich zurückgefahren, weitere denken darüber nach, dies zu tun. „Das ist ein wirklicher Rückschritt", sagt OB Müller, "hier werden Unternehmen behindert und das gute nachbarschaftliche Verhältnis beeinträchtigt." Und weiter: "Wir tun Europa keinen Gefallen, wenn auf höchster Ebene die Regierungschefs Macron und Merkel freundliche Vereinbarungen treffen, aber im kleinen Grenzverkehr neue Beschwernisse aufgebaut werden. Das schadet auch dem Eurodistrikt. Unser Ziel muss sein, dass Politik und Praxis, dass Worte und Handeln im Einklang stehen. Die grenzüberschreitenden Verbindungen machen Europa viel mehr aus als Regierungserklärungen."

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