Angedacht
"Suche Frieden" - Hilferuf oder Aufforderung

Ruth Scholz | Foto: privat

"Suche Frieden" – unter dieser Überschrift findet bis zum heutigen Sonntag der Katholikentag im westfälischen Münster statt, zu dem auch ich mit 15 anderen gepilgert bin.

"Suche Frieden" – das kann man als Imperativ hören. So ist es auch in Psalm 34 gemeint, in dem es heißt: "Suche Frieden und jage ihm nach." Viel Aufforderung dazu braucht es allerdings in der Regel nicht: wer sehnt sich denn nicht nach Frieden? Wenn die Worte als Aufforderung gemeint sind, dann liegt die eigentliche Aufforderung eher darin, das Suchen mit Taten zu verbinden, die Frieden ermöglichen, ja gar schaffen.

"Suche Frieden" – das kann man aber auch verstehen als Hilferuf. Man kann sich vorstellen, an einem Schwarzen Brett hängt ein Zettel mit dieser Aufschrift neben anderen Zetteln wie „Suche Wohnung“ oder „Suche Putzstelle“. Dieser Zettel, er könnte stammen von einer aus Syrien geflüchteten Frau, die im Bürgerkrieg nicht nur ihren Ehemann und alles Hab und Gut, sondern auch jede Hoffnung auf eine Zukunft für sich und ihre Kinder verloren hat. Oder von einer Frau aus der Nachbarschaft, die nicht die Kraft findet, aus einer zerrütteten Ehe auszubrechen. Oder von einem aus dem Kongo stammenden jungen Mann, der die Traumata seiner Erlebnisse als Kindersoldat nicht überwinden kann. Vielleicht von einer alten Frau, die seit Jahren im Streit mit ihren Kindern lebt. Oder von jemand, der jeden Glauben an Gott und an das Gute in dieser Welt verloren hat.

Was können wir solchen Menschen geben, die so Frieden suchen, den sie sich nicht selbst geben können?, frage ich mich. Ein offenes Ohr auf alle Fälle, das Gefühl, dass wir sie annehmen, im besten Falle mögen und schätzen, trotz all dem Unfrieden in ihnen und um sie herum. Natürlich auch der Hinweis auf eine Anlauf- oder Beratungsstelle oder einfach nur ein gutes Wort, ein Rat vielleicht.
"Suche Frieden" – fünf Tage lang haben sich Katholiken in Münster auf die Suche gemacht. Eine Suche allerdings, die alle Menschen in Bewegung setzen will, egal, ob als Aufforderung oder als Hilferuf.

Dr. Ruth Scholz, katholische Dekanatsreferentin, Offenburg-Kinzigtal

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.