TG Schüler wappnen sich gegen Radikalisierung
Wie Schüler der elften Klasse des Technischen Gymnasiums den Weg von Gruppenzwang und Manipulation zum Extremismus erlebten

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»X-Games« ist die Kurzform für Extremismus-Games: Das von der Extremismus-Fach- und Beratungsstelle »Inside out« entwickelte Spiel dient der Radikalisierungsprävention. »Extremismus und radikale politische Ideologien durchziehen unterschwellig die Gesellschaft und stellen eine existenzielle Gefährdung für die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland dar«, betont Michaela Rieger-Motzer, stellvertretende Schulleiterin an der Gewerblich-Technischen Schule Offenburg und freut sich, dass Daniela Späth-Männle und Wolfgang Baumann, die Leiter der Fachschaft Geschichte/Gemeinschaftskunde, das Projekt an der größten Gewerbeschule in Baden initiiert haben. Die Grundidee des Spiels ist es, Jugendliche unmerklich mit Methoden, Argumenten und Denkweisen von extremistischen Gruppen zu konfrontieren und sie zu moralisch bedenklichen Handlungen im Spiel zu bewegen.
Mohammad Bayzeed, Student der Sozialen Arbeit und ausgebildeter Erzieher sowie Mohammad Tamin, Student für Geschichte und Musik begleiteten in den elften Klassen des Technischen Gymnasiums das Projekt und forderten von den Schülerinnen einiges an Emotionen ein. »Ihr steht auf einer Eisenbahnbrücke. Fünf Männer arbeiten auf den Bahngleisen, und es kommt ein Zug. Ihr ruft, doch sie hören euch nicht. Da kommt ein dicker, verwahrloster Mann über die Brücke und ihr wisst: Wenn ihr ihn runterwerft, könnt ihr den Zug aufhalten und die Männer retten«, setzten die beiden Studenten die TG-Schüler unter Druck. Ein Team entscheidet sich für den Mann, um die Arbeiter zu retten. Kein optimaler Entschluss. Der Mann wird sterben. Ist es in Ordnung, einen Menschen zu opfern, um mehrere Menschen zu retten? Dieses Dilemma wird seit Jahrzehnten in Philosophie, Ethik und Rechtswissenschaften diskutiert. Tamin und Bayzeed haben zu Beginn des Spiels weiße Kittel angezogen und vermitteln damit Autorität.
Die Radikalisierung der Jugendlichen funktioniert über mehrere Ebenen. Die Namen der Teilnehmer werden durch Nummern und Buchstaben ersetzt. Zudem ziehen die Schüler graue Westen an und verlieren dadurch ein Stück Identität. Die beiden Spielleiter verteilen die Punkte willkürlich. Alle müssen einen Luftballon als ihr „Leben“ beschützen. Bewusst sollen sich die Gruppen gegenseitig runtermachen. Eine Person ist jeweils ein Spitzel, sie redet dagegen und sorgt für Unruhe, damit sich niemand gegen die Spielleiter wendet. Von außen kann man die Spirale in den Extremismus beobachten: Als eine Schülerin ihren Luftballon verliert, gehen die anderen sofort auf sie los. Vergangene Entscheidungen dürfen nicht diskutiert werden. Auch die Sprache wird vulgärer – alle sollen das Gefühl haben, dass heute mehr erlaubt sei. Am Ende wird die Situation zugespitzt, die eine Gruppe nimmt die andere als Geiseln und fordert, dass entweder eine Person ausgeliefert wird oder alle ihr Leben verlieren.
Zusammen mit den Jugendlichen sprechen die Spielleiter nach eineinhalb Stunden über die manipulativen Möglichkeiten, mit denen sie einen Trichter in den Extremismus geschaffen haben- bis am Ende niemand mehr hinterfragt hat, die andere Gruppe als Geiseln zu nehmen. »Deswegen halten wir keine theoretischen Vorträge. Wir wollen, dass jeder das miterleben kann. verdeutlicht Mohammad Bayzeed. Die Spielleiter geben den Schülern der elften Klasse klare Hilfen mit: »Sagt „Stopp“ wenn ihr etwas nicht tun wollt, lasst euch nichts vorschreiben. Informiert euch aus verschiedenen Quellen und glaubt nicht nur einer Sichtweise«, sagt Tamin.
Für die Teilnehmer war es eine lehrreiche Erfahrung. »So etwas öffnet einem die Augen. Man merkt, wie schnell man selbst manipuliert werden kann«, sagt ein Schüler.

Zum Bild:
Mohammad Bayzeed (vorne) und Mohammad Tamin von »Inside Out« schaffen bei Schülern am Technischen Gymnasiums mit einem Extremismus-Experiment ein Bewusstsein für unterschwellige Methoden der Gedanken- und Handlungsbeeinflussung.

Foto: Michael Haß

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