Offenburg korrigiert Beschlüsse
Hitler und Hindenburg nie Ehrenbürger

Offenburger Stadtrat Mitte 1933. Die Stadt- und Gemeinderäte waren wenige Monate nach Hitlers Machtergreifung gleichgeschaltet.  | Foto: Foto: Stadtarchiv
  • Offenburger Stadtrat Mitte 1933. Die Stadt- und Gemeinderäte waren wenige Monate nach Hitlers Machtergreifung gleichgeschaltet.
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Offenburg (st) Paul von Hindenburg, Adolf Hitler und vier weitere NS-Funktionäre sind keine Ehrenbürger der Stadt Offenburg, teilt die Stadt in einer Presseerklärung mit. Eine entsprechende Klarstellung legt die Stadtverwaltung dem Gemeinderat in der Sitzung am 28. Juli zur Beschlussfassung vor.

Der Vorlage zufolge hätten zwei Stadtratsbeschlüsse aus dem Jahr 1933, in denen Hindenburg, Hitler und vier weitere NS-Größen zu Ehrenbürgern erklärt wurden, keinen Bestand. Ehrenbürgerschaften der Stadt Offenburg seien dadurch nicht begründet worden. Damit werde die in Verwaltung und Stadtgesellschaft seit Langem geübte Praxis bestätigt, die 1933 verliehenen Ehrenbürgerschaften als nichtig zu betrachten.

Gleichzeitig werde ein entsprechender Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 1946 präzisiert, so die Stadtverwaltung weiter.

Im Einzelnen geht es um den früheren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, den früheren Reichskanzler Adolf Hitler, den früheren NSDAP-Gauleiter von Baden, Robert Wagner, sowie die früheren NS-Minister in Baden, Karl Pflaumer, Walter Köhler und Otto Wacker. Letzterer war auch Mitgründer der Offenburger NSDAP.

Gauleiter Wagner war unter anderem der Initiator und Vollstrecker der Deportation der badischen Juden in das Lager Gurs am 22. Oktober 1940. Die weiteren NS-Funktionäre waren als badischer Ministerpräsident, Finanz- und Wirtschaftsminister (Köhler in Personalunion), Innenminister (Pflaumer) sowie Justiz- und Kultusminister (Wacker) unmittelbar an der Entrechtung, Enteignung und Deportation der jüdischen Bevölkerung beteiligt.

Pauschale Erklärung

Die Genannten waren unmittelbar nach der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes vom Offenburger Stadtrat am 3. April und am 31. Juli 1933 pauschal zu Ehrenbürgern erklärt worden.

Im zeitlichen Kontext stehen der Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte in Offenburg (1. April 1933), das Verbot der Zeitung „D’r alt Offeburger“ (18. März) sowie eine öffentliche Bücherverbrennung (17. Juni), führt die Stadtverwaltung weiter aus.

Reichsweit habe die Verfolgung und Inhaftierung von Kommunisten, Sozialdemokraten und anderen Regimegegnern begonnen. Bis zum 14. Juli 1933, also kurz vor dem zweiten Beschluss, waren alle Parteien außer der NSDAP aufgelöst oder verboten worden.

Die Stadtratsbeschlüsse aus dem Jahr 1933, so die Argumentation, seien in der Form unzureichend gewesen. Sie hätten nicht einmal den Minimalanforderungen an ein Ehrungsverfahren genügt: Eine Prüfung der Verdienste der zu Ehrenden habe nicht stattgefunden. Unter dem Druck des zunehmenden Terrors hätten sie den Charakter einer Ergebenheitsadresse an das nationalsozialistische Regime gehabt und konnten so keine Ehrenbürgerwürde begründen. Sie reihten sich ein in eine Welle von Ehrenbürgerschaften für Hitler, Hindenburg sowie lokale und regionale NS-Größen in hunderten Kommunen.

Bisher war man bei der Stadtverwaltung Offenburg davon ausgegangen, dass ein Beschluss des Stadtrats aus dem Juni 1946 die Ehrenbürgerschaften aus dem Jahr 1933 rechtswirksam annulliert habe.

Im Lichte dessen, dass jüngst das Instrument der Verleihung von Ehrenbürgerwürden für die Stadt wieder stärker in den Fokus gerückt ist, haben Mitarbeiter der Verwaltung sowie der Historiker Dr. Wolfgang Gall die Vorgänge überprüft. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Beschluss von 1946 die Absicht einer Annullierung der Ehrenbürgerschaften verfehlt hat.

Die Recherchen ergaben: Nominell entzogen wurde das Ehrenbürgerrecht lediglich den damals noch lebenden Wagner und Pflaumer. Der damals noch lebende Walter Köhler (verstorben 1989) wurde übersehen. Seiner Heimatstadt Weinheim an der Bergstraße entzog ihm die Ehrenbürgerwürde dagegen bereits zwei Tage nach Kriegsende.

Bei den 1946 bereits verstorbenen Personen (Hindenburg, Hitler, Wacker) wurde das Ehrenbürgerrecht aufgrund des Todes als erloschen betrachtet. Eine Erklärung über den Entzug der Ehrenbürgerwürde gab es deshalb nicht.

Diese formalen Unzulänglichkeiten konterkarierten die eigentliche Absicht, das Kapitel der Ehrenbürger-Beschlüsse von 1933 abzuschließen, so die Stadtverwaltung Offenburg weiter.

Dennoch sei es in der Offenburger Stadtgesellschaft und in der Verwaltung gelebte Praxis, die sechs genannten Personen nicht als Ehrenbürger zu betrachten, sie nicht als solche zu erwähnen und sie nicht in der Ehrenbürgerliste zu führen.

Ein Beschluss des jetzigen Gemeinderates, die Beschlüsse von 1933 für unwirksam zu erklären, soll diese Praxis nun endgültig auf eine sichere Grundlage stellen.

Der Beschlussvorschlag der Verwaltung lautet:

  1. Paul von Hindenburg, Adolf Hitler, Robert Wagner, Otto Wacker, Karl Pflaumer und Walter Köhler sind keine Ehrenbürger der Stadt Offenburg.
  2. Eine Ehrenbürgerwürde der Personen Paul von Hindenburg, Adolf Hitler, Robert Wagner, Otto Wacker, Karl Pflaumer und Walter Köhler wurde durch die Beschlüsse des Offenburger Stadtrats vom 3. April 1933 und vom 31. Juli 1933 nicht begründet. Die Genannten sind daher nicht als Ehrenbürger oder gewesene Ehrenbürger der Stadt Offenburg zu betrachten. Die damals gefassten Beschlüsse betrachtet der Gemeinderat der Stadt Offenburg als unwirksam.

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