Christina Obergföll ist zufrieden mit dem, was sie erreicht hat
Lieber Mutter, als Karrierefrau mit Nanny

Ohne die Leistungen von Christina Obergföll wäre die Rüdiger-Hurrle-Leichtathletik-Halle wohl nie gebaut worden. Die Speerwerferin, der Schulsport und die LG Ortenau profitieren.  | Foto: Foto: Michael Bode
  • Ohne die Leistungen von Christina Obergföll wäre die Rüdiger-Hurrle-Leichtathletik-Halle wohl nie gebaut worden. Die Speerwerferin, der Schulsport und die LG Ortenau profitieren.
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Offenburg. Das bunte Laub liegt vor der Rüdiger-Hurrle-Leichtathletikhalle, der Schriftzug beginnt
abzublättern, es ist ist Herbst. Im Hochleistungssport ist für
Speerwerferin Christina Obergföll genauso Herbst. „Die Verabschiedung
jetzt bei der LG Offenburg ist mein letzter offizieller Auftritt als
Speerwerferin“, sagt die mehrfache Medaillengewinnerin.

Sohn Marlon hat inzwischen die Mütze vom Kopf gerissen und lacht, Hündin Baja
springt auf der Tartanbahn der Leichtathletikhalle umher. „Wir waren
schon lange nicht mehr hier. Als Baja im Auto gesehen hat, wo wir
hinfahren, ist sie richtig ausgeflippt“, so Christina Obergföll. Für
einen Rückblick und ein Fazit auf ihre Karriere ist der Vorzeigeathletin
alles noch zu frisch: „Es ist im Moment noch alles wie in den Jahren
zuvor, jetzt wäre ich vor zwei Wochen ins Training eingestiegen.“

Ohne Sport ging es bislang nicht. Ein oder zwei Mal in der Woche geht die
35-Jährige in den Kraftraum, laufen und fahrradfahren. „Das ist nicht
mehr so oft und viel wie früher, sondern nur noch, wenn ich Lust habe.
Das fühlt sich auf jeden Fall gut an.“ Kein Wunder: Das Familienleben
bekommt immer mehr Gewicht – Karrierefrau mit Nanny, das wäre nichts.

Vor einer halben Stunde hat sie Marlon vom Kindergarten abgeholt und
Ehemann Boris begleitet sie: „Ich glaube nicht, dass der Punkt kommt, an
dem ich sage, ich vermisse das. Den Leistungssport hatte ich so viele
Jahre und habe es mir wohl überlegt, ob ich jetzt aufhöre oder noch zwei
Jahre dranhänge. Und ich denke, dass ich diese Entscheidung nicht
bereuen werde. Ich bin zufrieden mit dem, was ich erreicht habe.“

Versöhnlich das Ende in der Arena: Beim ISTAF in Berlin feierte sie ihren Abschied,
gewann mit 64,28 Metern. „Es war sehr emotional und hat richtig Spaß
gemacht. Es war der richtige Zeitpunkt, um Tschüss zu sagen.“ Es war
zudem eine „super Weite“. Gerade im Hinblick auf Platz acht bei den
Olympischen Spielen in Rio und die Diskussionen bei der Vergabe der
Startplätze bei EM und Olympia.

Die aus Mahlberg stammende Sportlerin hat viele Erfolge abgespeichert. Vier Mal wurde sie Deutsche
Meisterin, weitere fünf Mal gab es DM-Silber. Mit der ersten
Silbermedaille bei der WM in Helsinki 2005 ließ sie richtig aufhorchen,
mit 70,03 Metern war sie erst die zweite Frau, welche die 70-Meter-Marke
übertraf. Beim Europacup in München zwei Jahre später übertraf sie die
Weite mit 70,20 Metern. Silber gab es bei der WM in Osaka 2007, bei den
Europameisterschaften in Barcelona 2010 und in Helsinki 2012 gab es
wieder Silber. 2013 in Moskau holte sie bei der Weltmeisterschaft das
heiß ersehnte Gold.

Obergföll gehört zu den wenigen Athletinnen, die vier Mal bei Olympischen Spielen antraten. Zuletzt holte Christina
Obergföll 2012 in London Silber, in Peking 2008 zunächst Bronze. „Das
hatte damals schon ein Geschmäckle.“ Die Zweite Marija Abakumowa aus
Russland wurde des Dopings überführt. Das IOC sprach der Ortenauerin
jetzt am 13. September Silber zu. „Bisher weiß ich das nur aus der
Presse. Es gibt kein Schreiben an mich vom IOC und die Silber-Medaille
ist bei mir auch noch nicht eingetroffen“, so Obergföll, die sich vor
Olympia in Rio für einen Ausschluss der russischen Athleten
ausgesprochen hatte. „Zumindest hatte ich die Siegerehrung, dass ich als
Dritte auf dem Treppchen stand, ist für mich nicht so schlimm. Hätte
ich keine Siegerehrung gehabt, so wie die damalige Vierte, oder wäre es
jetzt sogar Gold, das wäre schlimm. Zu Hause wäre ich sicher
ausgerastet“, lässt die zweifache Diamond-League-Gesamtsiegerin tief
blicken.

„Es war eine tolle Zeit. Aus meinem Hobby wurde der Beruf. Das ist ein großes Geschenk, das ich sehr zu schätzen weiß. Der
Sport hat mir viel gegeben. Das war mein Leben.“ Als eine neue Erfahrung
sieht sie die Sendereihe „6 Mütter“, die derzeit bei VOX zu sehen ist.
„Das habe ich wohl überlegt, das Format fand ich spannend. Wichtig war,
dass es nicht in die Richtung von Dschungelcamp geht, so etwas will ich
auf keinen Fall.“ Muss sie auch nicht, die Zukunft ist geregelt: „Seit
einigen Jahren arbeite ich bereits für die Barmer GEK und bringe meinen
Master in Gesundheitsmanagement ein.“ Vor allem freut sie sich auf mehr
Zeit mit Marlon, der kam in ihrer Aktivenzeit zu kurz. Draußen setzt
Schneeregen ein: Den bevorstehenden Winter braucht Obergföll nicht zu
fürchten, vor ihr liegt der Frühling. Es geht ihr gut, das sieht man
Christina an.

Autor: Daniel Hengst

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