Engagement im Wandel der Zeit
Steht das Ehrenamt bald vor dem Aus?

Groß war die Hilfsbereitschaft im Rahmen der Flutkatastrophe im Ahrtal. Auch aus dem Ortenaukreis kamen zahlreiche freiwillige Helfer, die tüchtig anpackten. | Foto: Archivbild Jonas Adolf
  • Groß war die Hilfsbereitschaft im Rahmen der Flutkatastrophe im Ahrtal. Auch aus dem Ortenaukreis kamen zahlreiche freiwillige Helfer, die tüchtig anpackten.
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Ortenau (ag). Ob im Bereich Sport, Musik, Gewerbe oder anderes – immer mehr Vereine haben große Probleme, Mitglieder für die Vorstandsarbeit zu gewinnen. Mancher Vorsitzende würde sich nach Jahrzehnten des Engagements gerne aus Altersgründen zurückziehen. Doch weil ein Nachfolger fehlt, wird wohl oder übel weiter gemacht. Steht das Ehrenamt in der Ortenau vor dem Aus?

Zeitliche Begrenzung

Marco Schwind von der Vernetzungsstelle Bürgerschaftliches Engagement beim Landratsamt Ortenaukreis schüttelt den Kopf. "Man kann sogar sagen, tendenziell engagieren sich mehr Menschen als noch vor 30 Jahren", erklärt der Ehrenamtskoordinator. Um dann ein "aber" nachzuschieben: "Das Ehrenamt steckt in der Transformation." Marco Schwind spricht deshalb auch lieber vom bürgerschaftlichen Engagement, denn: "Die Struktur hat sich verändert. Die Leute möchten sich nicht mehr lange binden." Die Bereitschaft, zeitlich begrenzt aktiv zu sein, sei allerdings groß. Baden-Württemberg sei hierbei sogar Spitzenreiter in Deutschland. So haben sich im vergangenen Jahr laut Schwind 46 Prozent der Menschen in irgend einer Form eingebracht: "Das Ganze hat oftmals jedoch mehr Projektcharakter." Der Ansprechpartner für bürgerschaftlich Engagierte im Ortenaukreis nennt als Beispiele die Helfer im Ahrtal oder Aktivitäten im Zusammenhang mit den Flüchtlingen aus der Ukraine. Das Stichwort sei Selbstwirksamkeit.
Laut dem Internetlexikon Wikipedia geht es bei Selbstwirksamkeit um das Vertrauen einer Person, aufgrund der eigenen Kompetenz bestimmte Handlungen auch in Extremsituationen selbst erfolgreich meistern zu können. Das hat Einfluss auf unterschiedliche Lebensbereiche wie die berufliche Karriere und drückt sich ebenfalls entsprechend beim Engagement für andere aus. So war die Hilfsbereitschaft zu Hochzeiten der Coronapandemie außerordentlich groß. Jüngere übernahmen das Einkaufen für betagte Nachbarn oder Bekannte, die damals zur Hochrisikogruppe zählten. Um in einer solchen Situation zu helfen, braucht es nicht zwingend eine Vereinsstruktur, so Schwind. Ein anderes Beispiel sei der Schülerstreik Fridays for Future.

Rollierendes System

Doch zurück zu den eingetragenen Vereinen und ihrem Nachwuchsproblem in Sachen Vorstand. "An dieser Stelle ist Kreativität gefragt", sagt Marco Schwind. "Die Verantwortung kann möglicherweise auf mehreren Schultern verteilt werden. Oder es kommt ein rollierendes System in Frage, beispielsweise kann der Vorstand nach zwei Jahren automatisch wechseln." Der Koordinator weiß aber auch, dass sich manche mit diesem Wandel schwer tun. Aus diesem Grund habe der Ortenaukreis 2013 Geld in die Hand genommen, um das bürgerschaftliche Engagement zu stärken. Genau dafür wurde die Vernetzungsstelle Bürgerschaftliches Engagement geschaffen. Neben Fachtagungen, wovon die jüngste erst am Freitag, 14. Oktober, stattfand, werden unter anderem mit der Volkshochschule jährlich rund 20 kostenfreie Fortbildungen angeboten. Dabei geht es um Vereinsrecht oder die Frage wie Mitglieder gewonnen werden können. Wer möchte, kann bei einem konkreten Problem aber ebenfalls direkt bei der Vernetzungsstelle um Rat fragen, betont Marco Schwind. Mehr Infos gibt es unter ortenau-engagiert.de.

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