An(ge)dacht: Hans-Georg Dietrich
Eine neue Bedeutung für "Menschenaffe"

Hans-Georg Dietrich | Foto: privat

Manchmal wäre ich gerne ein Affe. Denn Affen sind uns oft überlegen. Auf jeden Fall können sie besser klettern. Sie haben noch eine andere großartige Fähigkeit: Affen kratzen sich nur da, wo es sie im Augenblick juckt. Davon können wir viel lernen.

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Wir kratzen uns oft, wo es vor Wochen oder gar Jahren gejuckt hat. Wie viele Dinge und Erlebnisse, die uns vor langer Zeit gereizt oder geärgert haben, begleiten uns über lange Zeit, manchmal bis ans Lebensende. Das ist belastend und anstrengend.

Es täte uns gut, wenn wir Vergangenes immer wieder abschließen können, so dass es uns nicht mehr juckt. Die Gegenwart ist Juckpulver genug. Die Frage der Gerechtigkeit ist so ein Reizthema, die Frage nach der Menschenwürde, die Frage nach Respekt und Nächstenliebe sind andere.

Schlimm ist es, wenn dann die Leute sagen, „das juckt mich nicht.“ Wie großartig ist es dagegen, dass der barmherzige Samariter aus dem Lukas-Evangelium das gerade nicht sagt. Er schaut hin. Er hält an. Er kümmert sich um den Verletzten. Er ist ein richtiger Mensch.

Der Begriff "Menschenaffe" bekäme so eine ganz neue Bedeutung. Er ist darin ein Affe, weil er sich nur dort kratzt, wo es gerade juckt. Er ist darin Mensch, weil es ihn kratzt, wo andere leiden oder in Not sind.

Solche Menschenaffen sind gute Christen. So ein Affe wäre ich gerne.

Hans-Georg Dietrich, evangelischer Schuldekan im Kirchenbezirk Ortenau

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