Kurzarbeitergeld
Mitunter böses Erwachen beim Lohnsteuerjahresausgleich

Steuerberater Rudolf Streif  | Foto: Privat

Ortenau. Viele sind derzeit in Kurzarbeit. Auch wenn das Kurzarbeitergeld einen Teil des Verdienstausfalls kompensiert, bleibt unterm Strich weniger Geld. Damit nicht genug: Im Interview mit Anne-Marie Glaser erklärt Steuerberater Rudolf Streif, Himmelsbach & Streif GmbH, wie sich Kurzarbeitergeld steuerlich auswirken kann.

Muss auf Kurzarbeitergeld Einkommensteuer bezahlt werden?
Kurzarbeitergeld ist eine Lohnersatzleistung. Es zählt zu den steuerfreien Einnahmen, für das keine Lohnsteuer abgeführt wird und das auch nicht der Einkommensteuer unterliegt.

Wie beeinflusst Kurzarbeitergeld dann die Steuerschuld?
Hier kommt der sogenannte „Progressionsvorbehalt“ ins Spiel. Lohnersatzleistungen – wie Kurzarbeitergeld oder auch Arbeitslosengeld, Krankengeld, Elterngeld oder sonstige vom Staat gewährte Leistungen –wirken sich steuererhöhend aus.  Im Rahmen der Einkommensteuererklärung werden die steuerpflichtigen Einkünfte mit einem erhöhten Steuersatz besteuert, welcher sich durch fiktive Hinzurechnung des Kurzarbeitergeldes ergibt. Es kann also durchaus sein, dass die Einkommensteuererklärung mit einer Nachzahlung einhergeht.

Können Sie uns das an einer Beispielsrechnungen verdeutlichen?
Gehen wir davon aus, dass ein unverheirateter Steuerpflichtiger, Steuerklasse 1, kirchensteuerpflichtig, im ersten Beispiel regulär arbeitet und seinen Bruttolohn von 3.000 Euro pro Monat komplett für das gesamte Jahr, ohne Kurzarbeitergeld, erhält, das heißt ein Jahresbruttogehalt von 36.000 Euro hat. Hiervon werden die Steuern direkt abgeführt, bevor das Gehalt auf sein Konto gelangt. In der Einkommensteuererklärung macht er nun Werbungskosten-Pauschbetrag, Vorsorgeaufwendungen et cetera geltend. Wir gehen davon aus, dass er sonst keine weiteren Einkünfte hätte. Dann beliefe sich im Beispiel das insgesamt zu versteuernde Einkommen auf rund 28.750 Euro. Der tarifliche Steuersatz auf diesen Betrag liegt bei rund 17 Prozent. Tatsächlich abgeführt wurden aber von 36.000 Euro bereits deutlich mehr Steuern. Also würde sich hier für den Steuerpflichtigen eine Erstattung von rund 20 Euro ergeben.

Und wie sieht das mit Kurzarbeitergeld aus?
Im zweiten und hier dann weitaus spannenderen Beispiel schauen wir nun, wie sich 50 Prozent Bruttolohn und 50 Prozent Kurzarbeitergeld auswirken würden. Der gleiche Arbeitnehmer erhält monatlich nur noch 1.500 Euro Bruttolohn und entsprechendes Kurzarbeitergeld, zunächst 60 Prozent des Nettolohns, später dann aufgrund der coronabedingten Anpassung in entsprechend höheren Sätzen. Insgesamt ergibt sich nach unserer Musterrechnung dann über das Jahr betrachtet also ein bereits versteuerter Lohn von 18.000 Euro und ein steuerfreies Kurzarbeitergeld von rund 7.250 Euro. Das zu versteuernde Einkommen aus der Beschäftigung abzüglich Vorsorgeaufwendungen, Werbungskosten et cetera wäre hier dann 13.764 Euro, ohne Lohnersatzleistungen. Das Kurzarbeitergeld, KUG, wird hier allerdings zur Ermittlung des Progressions-Steuersatzes in der Summe hinzugerechnet, wirkt sich also steuersatzerhöhend aus. Der entsprechende Steuersatz wäre in dem Beispiel dann 12,76 Prozent. Zum Vergleich: ohne Kurzarbeitergeld wäre der Steuersatz nur rund sechs Prozent. Angewendet auf die 13.764 Euro, also hier wieder ohne KUG, ergibt sich eine Steuer von rund 2.000 Euro. Bislang mit dem Lohn abgeführt wurden aber nur rund 850 Euro. Hier käme auf den Arbeitnehmer also eine Nachzahlung von rund 1.150 Euro zu.

Das ist viel Geld!
Ein realitätsnahes Beispiel haben wir weiterhin durchgerechnet: Der gleiche Steuerpflichtige hätte die Monate Januar bis März regulär gearbeitet, dann April bis Oktober zu 50 Prozent gearbeitet und zu 50 Prozent in Kurzarbeit, November und Dezember dann wieder regulär gearbeitet. Hier stünden sich am Jahresende ein Bruttolohn von 25.500 Euro und ein Kurzarbeitergeld von 3.904 Euro gegenüber. In unserer Berechnung steigt hier der Einkommensteuersatz durch die Progression ebenfalls, hier ergibt sich eine Nachzahlung von rund 430 Euro. Kurz beleuchten wollen wir auch den hypothetischen Fall, wenn jemand in sehr hohem Umfang nahezu ausschließlich Kurzarbeitergeld erhalten hat. Wenn dann wie im Beispiel keine anderen zu versteuernden Einkünfte vorliegen, wäre auch keine Nachzahlung zu erwarten. Denn in diesem Fall gibt es keine zu versteuernden Einkünfte, nur steuerfreie Lohnersatzleistungen.
Alle unsere Berechnungen basieren auf Basis der Berechnungsmodelle von 2019. Die Steuerberechnungen beinhalten die Einkommensteuer, Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag.

Wie finden Betroffene heraus, wie hoch eine Steuernachzahlung sein könnte?

Wie die Rechenbeispiele zeigen, ist eine Steuernachzahlung davon abhängig, wie das Verhältnis von Lohn, auf den bereits Steuern gezahlt wurden und weiteren Einkünften, das heißt Kurzarbeitergeld, ist. Wer lediglich einige Monate Kurzarbeitergeld bezieht, wird in der Regel nicht mit einer immensen Nachzahlung rechnen müssen. Denn über die reguläre Arbeit im steuerpflichtigen Beschäftigungsverhältnis ist bereits der größte Teil der Steuern abgeführt worden. Wer allerdings sehr viel Kurzarbeitergeld erhält, gegebenenfalls im familiären Umfeld auch der mit veranlagte Partner Lohnersatzleistungen bezieht, sollte hier genau hinschauen.
Eine Möglichkeit, um eine Steuernachzahlung festzustellen, ist die Registrierung bei der Finanz-Software "ELSTER" und der vorläufigen Erfassung der Daten für die Einkommensteuererklärung. So kann man dann herausfinden, ob mit einer Nachzahlung oder einer Erstattung zu rechnen ist. Um allerdings einen realistischen Betrag der Nachzahlung oder Erstattung zu erhalten, ist es sinnvoll bis Jahresende zu warten, damit alle Lohnabrechnungen vorliegen. In komplexen Fällen lohnt es sich gegebenenfalls mit dem Steuerberater Rücksprache zu halten.

Was passiert, wenn ich die Nachzahlung nicht leisten kann?
Falls eine Steuernachzahlung fällig wird, besteht die Möglichkeit, die Nachzahlung der Steuerschuld zu stunden. „Stunden“ bedeutet in diesem Fall, dass die Fälligkeit der Zahlung verschoben wird, beispielsweise auf einen späteren Zeitpunkt, oder eine Zahlung in Raten vereinbart wird. Allerdings ist dabei zu beachten, dass der Antrag auf Stundung vor der Fälligkeit der Steuernachzahlung gestellt wird und eine Begründung für die Stundung gegeben ist. Diese Gründe müssen dem Finanzamt genannt werden. Grundsätzlich gilt hier aber auch: Eine Steuerstundung führt zu einer Verzinsung von 0,5 Prozent pro Monat.

Was raten Sie Menschen in Kurzarbeit, damit sie beim Lohnsteuerjahresausgleich keine böse Überraschung erleben?
Vorab sollte abgeschätzt werden, wie das Verhältnis von steuerpflichtigen Einkünften, für welche die Steuer schon abgeführt wurde, zu Lohnersatzleistungen und womöglich weiteren im Rahmen der Progression den Steuersatz erhöhenden Einkünften ist. Falls hier eine deutliche Diskrepanz auftritt, sollte nochmal genau gerechnet werden. Ehepartner haben zudem die Option zu prüfen, ob Einzel- oder gemeinsame Veranlagung ein Steuerersparnis mit sich bringt. Dies kann passieren, wenn ein Ehegatte steuerfreie Ersatzleistungen bezieht und der andere Ehegatte steuerpflichtige Einkünfte vorzuweisen hat. Gewisse Rücklagen zu bilden – das heißt vom Kurzarbeitergeld monatlich einen kleinen Beitrag zurückzulegen – kann ebenfalls sinnvoll sein.

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