Ergebnisse in Forschungsband
Eldorado für seltene Pilze im Nationalpark

Strukturreicher Wald am Wilden See | Foto: Charly Ebel/Nationalpark Schwarzwald
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  • Strukturreicher Wald am Wilden See
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Seebach (st). Citizen Science heißt übersetzt etwa: Bürger-Forschung. Mit Citizen-Science-Projekten werden Interessierte angesprochen, die ihre Begeisterung für ihr Hobby in den Dienst des wissenschaftlichen Datensammelns stellen. So wie die Pilzkundigen, die mehrere Jahre lang das ehemalige Bannwaldgebiet Wilder See im Nationalpark Schwarzwald ganz genau unter die Lupe nahmen. Mit großem Erfolg: Unter der Leitung des Naturkundemuseums Karlsruhe und des Nationalparks Schwarzwald entdeckten sie insgesamt 723 Pilzarten. Darunter sind auch Pilzarten, die deutschlandweit bislang nur aus diesem Gebiet bekannt sind. Aus dem Projekt entstand nun der erste Forschungsband des Nationalparks Schwarzwald.

„Wir freuen uns sehr über das umfangreiche Ergebnis des Projekts“, sagt Flavius Popa, der als Mykologe im Nationalpark Schwarzwald arbeitet und das Projekt gemeinsam mit Markus Scholler vom Naturkundemusem Karlsruhe leitete. „Unglaublich, wie viel akribische Arbeit die vielen Helfer geleistet haben, um zu ermitteln, wie viel Pilzleben in diesem, an natürlichen Strukturen reichen Waldgebiet steckt!“ An dem Citizen-Science-Projekt beteiligten sich zahlreiche professionelle und nicht-professionelle Mykologen aus mehreren Bundesländern und Frankreich. Die Vielzahl von Spezialisten ermöglichte die Erforschung von wenig bekannten Pilzgruppen wie den Schleimpilzen, aquatischen Pilzen, Rostpilzen oder den flechtenbewohnenden Pilzen. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Die auf dem knapp 149 Hektar großen Waldareal nachgewiesenen 723 Pilzarten entsprechen ungefähr der zehnfachen Zahl der im Gebiet vorkommenden Pflanzenarten.

Unbekannte Arten entdeckt

„Besonders erwähnenswert ist auch, dass im Gebiet eine Vielzahl von Arten gefunden wurde, die aus Deutschland oder Baden-Württemberg noch nicht bekannt waren; sogar zwei für die Wissenschaft neue Risspilze konnten beschrieben werden“, erzählt Mykologe Markus Scholler. Über das Pilzarten-Projekt konnten Interessierte sich bereits in einer Ausstellung 2019 im Regierungspräsidium Karlsruhe informieren. Nun veröffentlichen Scholler und Popa ihre Forschungsergebnisse auch in einem fast 500 Seiten fassenden, illustrierten ersten Band der neuen Schriftenreihe "Forschung im Nationalpark Schwarzwald" - in einer auch für Laien verständlichen Sprache. „Wichtig war uns neben der Kartierung des Gebietes die Konservierung aller Funde im Herbarium des Naturkundemuseums für die weitere wissenschaftliche Arbeit“, sagt Scholler. Diese stehen so der wissenschaftlichen Öffentlichkeit für weitere Untersuchungen zur Verfügung.

Neben der Erfassung der Arten konnte das Forschungsteam auch die enorme Bedeutung der Weißtanne als Symbiosepartner und als Substrat für seltene Pilzarten nachweisen. Der Schwarzwald besitzt das größte Weißtannenareal in Deutschland und dennoch ist der Baum im Schwarzwald, so auch am Wilden See, durch die Forstwirtschaft der letzten 200 Jahre von der Fichte stark zurückgedrängt worden. Bleibe zu hoffen, dass man der Tanne wieder eine Chance gebe, so Popa. Nicht nur aus mykologischer Sicht.

Untersuchungen speziell in Schutzgebieten könnten durchaus auch von praktischem und ökonomischem Nutzen sein, ergänzt Flavius Popa. „Kollegen der Universität Gießen ist es gelungen, aus einer Reinkultur des sehr seltenen Duftenden Schichtpilzes den Stoff zu isolieren und chemisch zu charakterisieren, der den Wohlgeruch bewirkt.“ Der vielleicht bekannteste und bereits mehrmals in der Presse erwähnte Pilz vom Wilden See, die seltene Zitronengelbe Tramete, wird mittlerweile von mehreren Forschungseinrichtungen in Deutschland und Österreich untersucht.

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