Einige Fraktionen äußern Kritik
Flüchtlinge kommen in Pflegeschule

Die Pflegeschule befindet sich auf dem Acherner Klinikgelände. | Foto: ds
  • Die Pflegeschule befindet sich auf dem Acherner Klinikgelände.
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Achern Der Ortenaukreis plant die Unterbringung von 20 unbegleiteten minderjährigen Ausländern (UMA) in ungenutzten Räumen der Pflegeschule am Klinikum in Achern. Nicht alle halten das für eine gute Idee. Auf Nachfrage der Guller-Redaktion erklärt der Ortenaukreis die Umstände des Plan.

Aufgrund der hohen Zugänge von UMAs sei der Kreis bereits seit längerer Zeit auf der Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten. "Der angebotene Wohnraum reicht nicht mehr aus, sodass die eigenen Gebäudebestände auf Leerstand geprüft wurden. Der Wohnraum im Wohnheim in Achern ist gut geeignet", so Kreispressesprecher Kai Hockenjos.

Die vorgesehenen Räume würden in einem für sich getrennten Stockwerk hergerichtet. "Das Jugendamt muss den Kinderschutz für die untergebrachten Jugendlichen sicherstellen, daher werden die Räume ausschließlich durch UMAs genutzt. Diese sind zwischen 16 und 17 Jahre alt und stammen aus Afrika oder Afghanistan", erklärt Hockenjos.

Sicherheitsdienst

Für die Sicherheit habe der Kreis ebenfalls vorgesorgt. Rund um die Uhr soll ein Securityservice im Einsatz sein. Zudem soll es eine 24-Stunden-Rufbereitschaft geben, auf die der Sicherheitsdienst bei pädagogischen Fragestellungen zurückgreifen könne. Das Jugendamt sei in Abstimmung mit der Pflegeschule. Die ließ unsere Anfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Die Kreistagsfraktion der AfD meldete sich zuerst zu den Plänen des Kreises in einem Statement zu Wort. Sie lehnt die Unterbringung der UMAs ab und fordert den Landrat auf, das geplante Vorhaben umgehend zu stoppen. Gleichberechtigung und Freiheit von Frauen sei den UMAs fremd, Konflikte seien vorprogrammiert. Zudem fürchte man um das Image des Ausbildungsstandorts.
Auf Nachfrage der Guller-Redaktion bezogen auch andere Kreistagsfraktionen Stellung. Die Grünen sehen in der Unterbringung eine "Pflichtaufgabe" und "enorme Herausforderung" für den Kreis, verweisen aber auch darauf, dass es bisher keine größeren Probleme mit den UMAs gegeben habe. Die CDU stellt sich hinter die Pläne des Kreises, nimmt aber "die Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten ernst." Ergänzend dazu sagt die SPD-Fraktion, dass es das Ziel sein müsse, die Unterbringungssituation in Achern so zu regeln, dass ein gutes Neben- und Miteinander möglich sei.

Unzufrieden zeigten sich die Freien Wähler. Man sollte ein Lösung finden, die mögliche Konflikte und Ängste ausräume. Zudem bringen sie eine Containerlösung ins Spiel. 

Vollständige Statements der Parteien im Wortlaut

Auf Anfrage der Guller-Redaktion an alle anderen Fraktionen im Kreistag haben uns die CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Freien Wähler geantwortet.

CDU: „Für die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern (UMAS) ist das Jugendamt zuständig. Die hohen Zugangszahlen bei den UMAS haben die Problematik der Wohnraumsuche verschärft. Die von privater Seite angebotenen Möglichkeiten reichen nicht aus. Deshalb hat der Ortenaukreis auch die eigenen Gebäude in den Blick genommen und das Wohnheim in Achern für geeignet empfunden. Selbstverständlich nehmen wir die Sorge der Auszubildenden in der Pflegeschule sehr ernst. Allerdings wissen wir auch, dass bis heute schon Erfahrungen gesammelt worden sind.

Insbesondere aus der Zeit hoher Zugangszahlen vor zirka acht Jahren, wo auch zahlreiche Einrichtungen für UMAS geschaffen werden mussten.

Wir sind sicher, dass das Landratsamt diese Erfahrungen bei der Organisation neuer Einrichtungen nutzt. Nach unserem Kenntnisstand ist die Unterbringung von 20 unbegleiteten minderjährigen Ausländern in einem abgetrennten Stockwerk im Wohnheim geplant, Schutzvorkehrungen sind getroffen. Und selbstverständlich stehen Jugendamt und Pflegeschule, beides Einrichtungen des Ortenaukreises, in enger Abstimmung miteinander.

Wir nehmen die Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten ernst. Jedoch müssen wir auch die Zwänge des Ortenaukreises berücksichtigen. Wir unterstützen deshalb die Vorgehensweise des Landratsamtes. Die CDU-Fraktion wird diesen Vorgang nicht für eine populistische Stimmungsmache nutzen. Vor Ort werden wir uns wie immer um Hinweise kümmern, um möglichst die Situation zu verbessern.“

SPD: "Der Ortenaukreis hat in der Flüchtlingskrise und auch in den Jahren danach den letzten Jahren bei der vorläufigen Unterbringung von Flüchtlingen und der Betreuung unbegleiteter Minderjähriger (UMAs) gute Arbeit gemacht. Das in den letzten Monaten ein erhöhter Zustrom an UMAs zu bewältigen war, liegt nicht in der Verantwortung des Kreises, allerdings muss der Ortenaukreis damit umgehen und die Menschen unterbringen. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass das Jugendamt auf kreiseigene und leerstehende Immobilien wie z.B. die Pflegeschule in Achern zurückgreift. Es ist aber auch nachvollziehbar, dass dadurch in der direkten Nachbarschaft zuerst einmal Ängste und Sorgen entstehen, die ernst genommen werden müssen. Eine Vorverurteilung nur aufgrund einer bestimmten Herkunft oder des Flüchtlingsstatus halten wir jedoch für falsch. Die SPD Kreistagsfraktion vertraut auf die langjährige Kompetenz und Erfahrung der Kreisverwaltung und insbesondere des Jugendamtes bei der Betreuung und Unterbringung der UMAs. Ziel muss es auch in Achern sein, die Unterbringungssituation so zu regeln, dass ein gutes Neben- und Miteinander möglich ist.

Auf der globalen Ebene muss erreicht werden, das künftig nur Flüchtlinge, die wirklich schutzbedürftig sind, in den Kommunen untergebracht werden. Die SPD-Kreistagsfraktion ist darüber seit einigen Monaten mit SPD-Bundespolitikern im Austausch und hat dabei deutlich gemacht, dass die Kommunen sowohl personell als auch von den Unterbringungskapazitäten her an ihre Grenzen kommen. Die Zuwanderung von Flüchtlingen nach Deutschland muss auf Ebene der Europäischen Union neu geregelt werden, so dass weiterhin verfolgte Menschen in Europa Schutz bekommen können und gleichzeitig unberechtigte Zuwanderung eingedämmt wird. Die von Innenministerin Faser auf europäischer Ebene verhandelten Maßnahmen sind dabei richtige und wichtige Schritte. Bis diese wirken, müssen wir hier vor Ort jedoch mit der Situation umgehen."

Bündnis 90/Die Grünen: "Die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Jugendlicher ist eine Pflichtaufgabe für die örtlichen Träger der Jugendhilfe und stellt für den Kreis und die Gemeinden eine enorme Herausforderung dar. Wie im Artikel beschrieben, hatten wir in der Ortenau bisher keine größeren Probleme mit dieser Gruppe, dies nicht zuletzt dank guter Organisationsstrukturen und vielerorts großen ehrenamtlichen Engagements. Dies wird sich auch in Achern bewähren.

Vielleicht sollte man noch ergänzen, dass die auszubildenden Pflegekräfte zu einem großen Teil selbst einen Migrationshintergrund haben und entsprechend als gutes Vorbild von ihren zukünftigen Mitbewohnern gesehen werden können.

Gerade im Pflegebereich sind wir, wie in vielen anderen Branchen, auf junge Leute aus dem Ausland angewiesen, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken und es ist nur richtig, wenn wir diese dann hier ausbilden und nicht gut ausgebildete Menschen aus dem Ausland abwerben, die in ihrer Heimat viel dringender gebraucht werden."

Freie Wähler: "Zufrieden ist man in der Fraktion nicht mit der Unterbringung der 20 UMAs im Obergeschoss der Pflegefachschule in Achern , da es sich wohl ausschließlich um männliche Jugendliche handelt und in der Akademie vorwiegend junge Frauen ausgebildet werden und im Wohnheim untergebracht sind. Die Unterschiedlichkeit der Kulturen ist uns bewusst. Deshalb sollte man umgehend um eine Lösung ringen, die mögliche Konflikte, ja mögliche Ängste ausräumen wird. Wir erwarten, dass durch 'Umbauten' ein Gefühl der Sicherheit gegeben wird, dass Begegnungen im Gebäude minimiert werden, zumal es sehr wichtig ist, gerade in die Ausbildung von Pflegepersonal massiv zu investieren und dazu gehört auch ein Wohnheim, das nur für das betroffene Klientel zur Verfügung steht und die Akademie keinen 'Schaden' nimmt.

Man wird mit einem engen und sinnvollen Betreuungskonzept Zweifel und Sorgen abbauen können. Dass wir die jungen Flüchtlinge nicht allein lassen dürfen, gehört zu unserem Selbstverständnis. Hierfür muss man von Seiten der Kreisverwaltung ggf. auf Containerlösungen setzen, die man relativ ortsnah platziert und in denen die jungen Menschen lernen, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren."

AfD: "Die AfD-Fraktion im Kreistag lehnt eine Unterbringung von sogenannten UMAs in der Pflegeschule in Achern aus den folgenden Gründen ab und fordert den Landrat auf das geplante Vorhaben umgehend zu stoppen:

1. In der geplanten Unterbringung wird ein erhebliches Sicherheitsrisiko insbesondere für die weiblichen Auszubildenden und Lehrkräfte gesehen. Tägliche pädagogische Betreuung basierend auf einem erfahrenen freien Träger der Jugendhilfe aus dem Ortenaukreis und ein Sicherheitskonzept sind aufgrund der fehlenden klaren Abgrenzung der Räumlichkeit und des gemeinsamen Zugangs zum Gebäude nicht im Ansatz eine Lösung.

2. Die UMAs kommen überwiegend aus patriarchisch muslimisch geprägten Kulturkreisen. Die jungen Menschen sind aufgewachsen in Gesellschaften mit Frauen in Burka und kennen keinen Mini-Rock. Gleichberechtigung und Freiheit der Frauen ist jenen fremd. Entsprechende Konflikte sind vorprogrammiert.

3. Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung, pädagogische Betreuung, Sicherheitsdienst und weiteren Serviceleistungen betragen zirka 100.000 Euro pro Monat und summieren sich somit auf insgesamt 1,2 Millionen Euro pro Jahr. Dies nur für eine Einrichtung, in der zwanzig angeblich überwiegend Minderjährige untergebracht werden sollen. Diese Art der Mittelverwendung ist eine Zumutung gegenüber jedem Bürger, dem aufgrund hoher staatlicher Abgaben und Steuern sowie bis zu zweistelligen Inflationsraten am Ende des Monats kein Geld mehr zur Verfügung steht.

4. Die Unterbringung von Ausländern in einer Pflegeschule ist keine Werbemaßnahme für den Ausbildungsstandort in Achern. Das geplante Vorhaben wird negative Auswirkungen auf die Zahl der Neuanmeldungen haben. Derzeitige in Ausbildung befindliche insbesondere weibliche Jugendliche werden ggf. nach alternativen Standorten suchen um die Ausbildung fortzusetzen. Dringende benötigte junge und motivierte Fachkräfte werden nicht gewonnen.

5. Mit der Einrichtung einer Unterbringung in dem Gebäude ergibt sich möglicherweise eine neue Art der Nutzung mit zwei unterschiedlichen Mietern. Die bauordnungsrechtliche Einordnung des Gebäudes scheint nicht mehr gegeben zu sein. Dies hat eine zeitaufwändige Nutzungsänderung mit entsprechendem brandschutztechnischem Nachweis zur Folge.

Die AfD-Fraktion im Kreistag lehnt die Unterbringung von UMAs in Achern in der Pflegeschule ab. Wir stehen für Kontrollen an den Grenzen, für humanitären Hilfen vor Ort in den Herkunftsländern sowie für eine Grundversorgung auf Basis von Sachleistungen von legal eingereisten Hilfsbedürftigen wie in fast allen anderen europäischen Ländern üblich.
Die Probleme, die derzeit in der Pflegeschule in Achern diskutiert werden, wären damit in Kürze gelöst."

Landrat Frank Scherer: "Aktuell werden jede Nacht junge Menschen im zweistelligen Bereich durch die Bundespolizei aufgegriffen und in die Inobhutnahmestelle des Ortenaukreises gebracht. Für diese hohe Anzahl an Zugängen sind weder räumliche Kapazitäten noch Betten verfügbar: In den Unterbringungen waren zeitweise die Fluchtwege mit Feldbetten verstellt, Matratzen wurden auf jede freie Stelle ausgelegt. Unser Jugendamt musste deshalb über die Katastrophenhilfe drei Zelte mit jeweils zehn Feldbetten auf dem Parkplatz einer Einrichtung aufbauen lassen. Und mit Blick auf die Zugänge über das Wochenende werden zwei weitere Zelte inklusive der mobilen sanitären Anlagen angefordert. Die Unterbringung in der Pflegeschule am Ortenau Klinikum Achern ist für uns die letzte Möglichkeit, zumindest einen Teil der Unbegleiteten Minderjährigen Ausländer in regulären Rahmenbedingungen unterzubringen.

Das Jugendamt des Ortenaukreises ist für die vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise zuständig. Das bedeutet: wir haben die gesetzliche Verpflichtung nach dem achten Sozialgesetzbuch, alle UMA im Zuständigkeitsbereich zunächst in Obhut zu nehmen. Durch die Grenzlage ist der Ortenaukreis besonders stark von Zugängen betroffen.

Zur Unterbringung an der Pflegeschule im Ortenau Klinikum Achern: Trotz hohem Aufwand bei der Immobiliensuche steht aktuell kein anderer geeigneter Wohnraum mehr zur Verfügung. Die Räume im Wohnheim des Ortenau Klinikums in Achern sind geeignet, der Unterbringungsprozess wurde unter Einbeziehung des Landesjugendamtes und der Stadt Achern begonnen. Das für die UMA geplante Stockwerk ist zum Treppenhaus klar abgegrenzt. Dies ist auch schon deshalb erforderlich, um den Kinderschutz für die jungen Menschen gewährleisten zu können. Die UMA werden durch einen erfahrenen Jugendhilfeträger zunächst mit zweimal fünf Stunden täglich betreut, der Security-Service ist 24 Stunden eingesetzt. Außerhalb der Anwesenheit des pädagogischen Personals ist eine 24-stündige Rufbereitschaft eingerichtet, die für den Security-Dienst bei Fragen zur Verfügung steht.

Ein Stopp der Zugänge liegt nicht in der Hand des Ortenaukreises. Durch die Bundespolizei aufgegriffene ausländische Kinder und Jugendliche sind unterzubringen. Unser Jugendamt muss alles dafür tun, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Bei der Unterbringung in der Pflegeschule im Ortenau Klinikum Achern wird dafür gesorgt, dass bestmögliche Rahmenbedingungen bestehen.“

Die FDP-Fraktion und die Linke Liste Ortenau haben unsere Anfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet gelassen.

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