Übergabe an OB Vetrano
Stolpersteine für Klara Wertheimer, Elsa Cheit und Rosa Mayer

Drei neue Stolpersteine erinnern an Elsa Cheit, Klara Wertheimer und Rosa Mayer. | Foto: Stadt Kehl
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  • Drei neue Stolpersteine erinnern an Elsa Cheit, Klara Wertheimer und Rosa Mayer.
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Kehl (st). Der Corona-Pandemie ist es geschuldet, dass am Mittwoch, 8. Juli, Stolpersteine in Kehl nicht verlegt, sondern übergeben wurden: In einer kleinen Zeremonie im Café Rapp nahm Oberbürgermeister Toni Vetrano aus der Hand von Künstler Gunter Demnig die Stolpersteine in Empfang, die an Elsa Cheit, Klara Wertheimer und Rosa Mayer erinnern.

Verlegung im Herbst

Ins Pflaster in der Fußgängerzone und in der Oberländerstraße eingelassen werden sie im Herbst und im Frühjahr. Allerdings nur, wenn das möglich ist, was in Kehl untrennbar zur Verlegung von Stolpersteinen gehört: Dass Jugendliche sich intensiv mit der Vergangenheit der Opfer der Nazi-Diktatur beschäftigen und die Gedenkstunde mitgestalten. Und dass nicht in Europa lebende Nachfahren bei der Verlegung anwesend sein können.

Tulla-Realschüler sind Paten

Weil Corona über Monate normalen Unterricht verhindert hat, konnte sich die neunte Klasse der Tulla-Realschule nicht auf die Verlegung der Stolpersteine für Klara Wertheimer und Elsa Cheit vorbereiten. Das werden die künftigen Zehntklässler im neuen Schuljahr nachholen; sie sind die Paten für die beiden Stolpersteine, die ihren Platz in der Fußgängerzone finden werden – vor dem Kaufhaus Woolworth und der Volksbank.

Die beiden Frauen waren Cousinen und entstammten der jüdischen Familie Bensinger, wie Karl Britz am Mittwoch berichtete. Sie waren verwandt mit der Familie von Rosa Bensinger, für die Gunter Demnig 2017 gegenüber, vor der Parfümerie Douglas, fünf Stolpersteine verlegt hat. Elsa Cheit wurde 1881 als Tochter von Jakob und Pauline Bensinger geboren. Sie wuchs mit 15 Geschwistern auf. 1906 heiratete sie den aus Lemberg stammenden Hersch Cheit. 1912 kam die 31-Jährige wegen einer psychischen Erkrankung in die Psychiatrie nach Straßburg und von dort in die Heilanstalt Stephansfeld bei Brumath. Über die Heilanstalt Illenau in Achern gelangte sie in die Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen, wo sie 18 Jahre verbrachte. Von hier aus wurde sie am 12. August 1940 nach Grafeneck transportiert, wo sie noch am gleichen Tag in einer zur Gaskammer umgebauten Garage ermordet wurde.

Ihre Cousine Klara Wertheimer, 1888 geborene Tochter von Simon und Theresia Bensinger, war mit Adolf Wertheimer verheiratet und lebte in Karlsruhe. 1931 wurde sie aufgrund einer akuten Psychose in die Heilanstalt Illenau eingeliefert. Von dort wurde sie 1938 auf die Insel Reichenau verlegt. Am 27. Juni 1940 wurde sie nach Grafeneck gebracht und wie ihre Cousine noch am selben Tag ins Gas geschickt.

Dank der unermüdlichen Nachforschungen der Archiv- und Museumsleiterin Dr. Ute Scherb wisse man heute von 25 Menschen aus der Kernstadt und 16 aus den Ortschaften, die mit ihrem Leben nicht mehr zurechtgekommen und daher einer Pflegeanstalt anvertraut worden seien, berichtete Oberbürgermeister Toni Vetrano. Sie alle seien in Grafeneck auf die gleiche Weise umgebracht worden.

Die Suche nach Informationen gestalte sich äußert schwierig, weil die Morde oft selbst in den Familien verschwiegen würden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lasse sich daher sagen, „dass es in unserer Stadt noch viel mehr Menschen gab, die den grausamen Tod in der Gaskammer von Grafeneck sterben mussten“.

Erst 2019 konnte vor dem Café Rapp der erste Stolperstein für ein sogenanntes Euthanasie-Opfer verlegt werden: für Alfred Rapp, ermordet am 31. Mai 1940 in Grafeneck. Dies sei auch der Grund dafür, warum sich die kleine Gruppe zur Stolpersteinübergabe hier zusammengefunden habe, erläuterte Toni Vetrano.

Bevor er mit Bäcker Günter Rapp, Gunter Demnig und Schülerinnen der Zeitzeugen-Arbeitsgemeinschaft rote und weiße Rosen am Stolperstein für Alfred Rapp niederlegte, berichteten Ellinor Felker und Simone Ziegler aus der Klasse 8a des Einstein-Gymnasiums aus dem Leben von Rosa Mayer, die 1874 als erste Tochter von Heinrich und Mathilde Murr in Ulm zur Welt gekommen war. Sie heiratete den Kehler Bankbeamten Max Mayer und wohnte mit ihm in der heutigen Oberländerstraße. Rosa Mayer nutzte die Evakuierung von Kehl 1939, um nach Ulm zurückzukehren. Ende Juli 1940 wurde sie jedoch wieder nach Kehl zurückgeschickt. Am 22. Oktober erfolgte ihre Deportation nach Südfrankreich ins Lager Gurs. Sie überlebte den Zweiten Weltkrieg um wenige Monate und starb schließlich am 14. Juli 1945 im ehemaligen Internierungslager in Masseube. Von Zeitzeugin Regina Müll haben die Schülerinnen erfahren, dass die „liebenswürdige ältere Dame“ Rosa Mayer für sie wie eine Oma war. Rosa Mayer, die im gleichen Haus wohnte wie Regina Müll, habe diese oft zu sich eingeladen.

Martin Kramer vom Arbeitskreis 27. Januar, der die Stolpersteinverlegungen in Kehl begleitet und auch an der Zeremonie im Café Rapp beteiligt war, lobte die Arbeit der Zeitzeugen-AG und erinnerte an die Stolperstein-App, über welche alle 63 Stolpersteine virtuell begangen werden können, die aber auch beim Spaziergang durch die Stadt wichtige Informationen bereithalte.

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