Interview mit Josef Rohrer
Herkunftsangabe beinhaltet bald Qualitätsversprechen

Josef Rohrer, stellvertretender Vorsitzender Weinparadies Ortenau und Inhaber Weingut Schwörer in Durbach | Foto: Foto: Privat
  • Josef Rohrer, stellvertretender Vorsitzender Weinparadies Ortenau und Inhaber Weingut Schwörer in Durbach
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Ortenau (st). Um den Absatz des deutschen Weins ins Ausland zu fördern, hat das Bundeskabinett die Änderung des Weingesetzes beschlossen. Unter anderem geht es um stärkere Profilierung der Herkunft des Weins. Im Interview mit Anne-Marie Glaser erklärt Josef Rohrer, stellvertretender Vorsitzender des Weinparadies Ortenau und Inhaber des Weinguts Schwörer in Durbach, den Hintergrund.

Wie wird beim deutschen Wein die Qualität beurteilt?
1971 wurde das deutsche Weingesetz überarbeitet auf dem Hintergrund der EG-Richtlinien. Hier wurden die Weinqualitäten nach dem nationalen Weinrecht am Zuckergehalt je nach Rebsorte und Anbaugebiet der Trauben eingeteilt: Qualitätswein ab 66 Grad Oechsle, Prädikatswein Kabinett ab 76 Grad Oechsle, Prädikatswein Spätlese ab 85 Grad Oechsle, Prädikatswein Auslese ab 106 Grad Oechsle, Prädikatswein Beerenauslese 128 Grad Oechsle, Prädikatswein Trockenbeerenauslese 158 Grad Oechsle und Eiswein 128 Grad Oechsle. Diese Prädikatsstufen müssen obligatorisch auf dem Etikett stehen und diese Qualitäten werden über eine amtliche A.P. Nummer zugeteilt und überprüft. Hier kann der Kunde die Qualitäten erkennen.

Worin unterscheidet sich das deutsche vom romanischen Modell, wie es beispielsweise in Frankreich angewandt wird?
Der Unterschied vom deutschen Qualitätsweinsystem zum romanischen Modell liegt darin, dass bisher die Zuckerwerte der Trauben zu den Qualitätsstufen herangezogen wurden – im romanischen Modell werden die Weinbergslagen für wichtig erklärt. In Frankreich gibt es keine Prädikatsstufen wie wir sie in Deutschland bei Qualitätsweinen kennen. Dafür aber den Begriff „Cru“ in vielerlei Wortkombination. Übersetzt bedeutet „Cru“ Lage oder Weinberg oder auch Gewächs. Die verschiedenen Anbaugebiete haben jeweils eine eigene Cru-Hierarchie, die sich für den Laien nicht direkt erschließt. Cru Bourgois, Grand Cru und Premier Cru, um nur ein paar zu nennen, bedeuten nicht überall das gleiche.

Grundlage soll in Deutschland nun eine Herkunftspyramide sein. Wie ist diese aufgebaut?
Das geplante Herkunftssystem soll sich an zwei Leitsätzen orientieren: „Die Angabe einer Herkunft beinhaltet ein Qualitätsversprechen“ und „Kleinere Herkünfte müssen ein größeres Qualitätsversprechen beinhalten“. Ein Beispiel für die Herkunftspyramide ist wie folgt von oben nach unten: Lagenwein – Durbacher Ölberg Scheurebe; Ortsweine Durbacher Klingelberger Riesling; Bereich/Großlage – Ortenauer Grauburgunder; g.U als Anbaugebiet, Gutsweine – Grauer Burgunder aus Baden; Deutscher Wein, was am Markt aber kaum eine Wertigkeit hat.

Im Zusammenhang mit der Lage ist oft vom Terroir die Rede. Was ist darunter zu verstehen?
Im Weinjargon beschreibt der Begriff Terroir eine homogene geografische Zone sowie das Zusammenspiel der Eigenschaften oder besser gesagt den Charakter eines bestimmten Anbaugebietes oder einer Region. Dazu gehören: das jeweilige Mikroklima, die Beschaffenheit des Bodens und der Geologie sowie das Gelände – also, ob es sich beispielsweise um eine Hanglage oder Tallage handelt. Dieser Gesamteinfluss auf die dort angebauten Kulturpflanzen verleiht dem Wein einen regionaltypischen und einzigartigen Geschmack. Zusammen mit den Rebsorten und dem Kellerausbau ist das Terroir also ein wesentlicher Faktor im Weinan- und ausbau, der dessen Charakter maßgeblich prägt.

Warum ist das neue System eine bessere Orientierung für die Kunden?
Ob es eine bessere Orientierung ist, darüber wird sehr viel diskutiert – die Politik aus der EU drängt darauf, einheitlichere Bezeichnungen in der EU zu haben. Nahezu 50 Jahre ist das Prädikatssystem unseren Kunden bekannt und die Wertigkeit der Qualitäten ein Begriff. Mit dem neuen Bezeichnungsrecht muss der Verbraucher sich ebenfalls neu auseinandersetzen und die Wertigkeit für sich selbst einschätzen. Die Hauptorientierung für den Kauf von Weinen wird wie bisher die Preis-Leistung der einzelnen Betriebe sein.

Werden die bisherigen Qualitätsmerkmale überhaupt keine Rolle mehr spielen?
Für das neue Bezeichnungsrecht gibt es eine Übergangsfrist bis 2026, so lange kann man noch am alten Bezeichnungsrecht festhalten.

Wie beurteilen Sie diese Änderung in ihrer Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Weinparadies Ortenau?
Das neue Bezeichnungsrecht erfordert, meiner Meinung nach, sehr aufwendige Marketingmaßnahmen, um den Kunden die Parallele zur bisherigen Bezeichnung, welche zum Großteil verstandenen wurde, wieder neu darzustellen. Im Steillagen-Weinbau mit hohem Kostenaufwand war das bisherige System mit den Prädikaten für die Kunden ein Qualitätsmerkmal. In den Steillagen wachsen hervorragende Qualitäten, die im Prädikat Kabinett und Spätlese eine sehr gute Wertschöpfung für die Betriebe gebracht haben. Für die Verbraucher ist es schwer, die Lagenweine alle zu verstehen mit Ort und den einzelnen kleinen Lagennamen. Das neue Bezeichnungsrecht wird am Geschmack der Weine nichts ändern – hier entscheidet der Kunde „schmeckt mir oder nicht“ in Verbindung mit Preis-Leistung. Natürlich bringt Neues auch Chancen mit sich.

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