Fußnote – die Glosse im Guller
Dekoration und Kerzenschein

Es gibt Menschen, die Haus und Garten im Advent in ein Weihnachtswunderland verwandeln. Dazu gehöre ich eindeutig nicht. Weder im Advent noch an Ostern und schon gar nicht im Alltag verspüre ich irgend einen Deko-Drang in mir. Dass im Sommer auf unserer Terrasse oder im Winter im Essbereich abends ab und an ein Kerzlein brennt, ist einzig dem Mann geschuldet, mit dem ich zwar Tisch und Bett, aber nicht den Hang zu dekorativem Firlefanz teile.

Aber auch wenn ich mehr der nüchterne Tausend-Watt-Neonröhren-Typ bin, kaufe ich doch jedes Jahr zumindest einen Adventskranz und schmücke eine frisch geschlagene Nordmannstanne im Wohnzimmer unter anderem mit echten Kerzen. Tatsächlich stecke ich alle Jahre wieder die selben roten Kerzen in die entsprechenden Halter in den Tannenzweigen. Diese hatte ich als 19-Jährige für meinen Weihnachtsbaum in meiner ersten eigenen Wohnung in einem Lahrer Traditionskaufhaus gekauft. Das Geschäft selbst gibt es nicht mehr, aber die Original-Plastiktüte mit dem Schriftzug, in dem ich die Kerzen damals nach Hause trug, hat überlebt und dient über das Jahr immer noch der Aufbewahrung derselben.

Nun hat jede Familie ihre Weihnachtsrituale. Bei uns ist es zur Tradition geworden, dass sich meine Schwiegermutter über die 32 Jahre alten Kerzen am Tannenbaum lustig macht, die nie angezündet werden – sozusagen die ewige Lichtquelle, die nie leuchten darf.

Einmal hatte sie mich fast so weit und ich schon das Feuerzeug in die Hand. Doch dann glaubte ich, in der Flamme das Gesicht meines Großonkels Heinrich zu sehen. Zu Lebzeiten war er Feuerwehrkommandant und voller flammender Weihnachtsgeschichten von Tannenbäumen, die sich in Bruchteilen von Sekunden in Feuerbälle verwandelten und die Geschenke gleich mit in kleine Aschehäufchen verwandelten. Nein, die Kerzen am Weihnachtsbaum werden nicht angezündet, dafür gibt es ja aber noch den Adventskranz.

Das Problem bei diesem ist jedoch, dass eine Kerze an Heiligabend immer schon nahezu runter gebrannt ist, nämlich diejenige, die bereits seit dem ersten Advent immer wieder brennt. Um dies zu vermeiden, zünden manche die Kerzen abwechselnd an. Das scheint pragmatisch. Aber steht ein solches Vorgehen auch im Einklang mit der christlich-abendländischen Tradition? Ich probiere es besser gar nicht erst aus. Wer weiß, welches Gesicht mir dann in der Flamme erscheint! In diesem Sinne allen ein frohes Weihnachtsfest – mit oder ohne Deko und Kerzenschein.
Anne-Marie Glaser

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