Fussnote
Diplomatie ist alles andere

Diplomatie ist im Wortsinn die Wahrnehmung außenpolitischer Interessen eines Staates durch seine Vertreter im Ausland. In den allgemeinen Sprachschatz ist es übergegangen und unterstellt mit diplomatischem Geschick ein kluges, taktisch geschicktes Vorgehen bei dem Bemühen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Wer so vorgeht, handelt clever, findig, gewandt, klug, taktisch geschickt, wohldurchdacht und wohlüberlegt. So weit die Theorie und die Definition des Duden.
Was in dieser Woche vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York, der Mutter der außenpolitischen Interessen, passiert ist, widerspricht dem in seinem ureigensten Sinn und das bei Weitem nicht zum ersten Mal.

Am 12. Ok­to­ber 1960 er­griff Ni­ki­ta Chruscht­schow, langjähriger Staatsführer der damaligen UdSSR, während der Rede eines philippinischen Delegierten seinen Schuh, schlug damit auf den Tisch und griff ihn mit beleidigenden Worten lautstark an. Irans damaliger Präsident Ahmadinedschad hatte es 2001 geschafft, dass dutzende führende Nationen während seiner Rede die Versammlung aus Protest verließen. Im vergangenen Jahr sorgte ein lautstarker und wortgewaltiger Disput zwischen israelischen und palästinensischen Vertretern ebenfalls für Empörung.

Der vorläufige Höhepunkt mit noch absehbaren Folgen passierte diese Woche in einer Kettenreaktion mehrerer führender Staatsvertreter. Den Anfang machte US-Präsident Donald Trump. Er nannte den Iran einen Schurkenstaat und drohte mit der Aufkündigung des Atomabkommens. Dies hätte, da ist sich der internationale Rest der Welt einig, in der Krisenregion unüberschaubare Auswirkungen. Die Reaktion aus dem Iran vor den UNO-Vertretern ließ nicht auf sich warten: Als schurkischer Anfänger wurde Trump bezeichnet. Weiter ging's: Die USA drohten Nordkorea, das Land total zu zerstören. Nordkoreas Diktator nannte Trump über das Staatsfernsehen einen geisteskranken, dementen US-Greis, der auf jeden Fall mit Feuer gebändigt werde. Wie, wurde auch formuliert: mit einer Wasserstoffbombe im Pazifischen Ozean.

Schlimm genug, dass die Worte wohl überlegt sein könnten. Das macht es aber in der Wirkung nur noch verheerender, dass diese Wortwahl allen anderen Synonymen von Diplomatie widerspricht, es ist weder klug noch taktisch geschickt. Jetzt muss die Weltgemeinschaft zeigen, wie Diplomatie funktioniert.

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.