Angedacht: Martin Grab
Die Schöpfung hat nur uns als Anwalt

Martin Grab | Foto: privat

Ich hoffe, Sie hatten einen schönen Sommer. Mein eigener Sommer – mit anregenden Bergtouren in den Alpen – wäre ein Traum-Urlaub gewesen, wenn ich nicht die Gletscher gesehen hätte. Und die Gletscher der Alpen sterben. Immer mehr geht das Eis zurück. Der Anblick der Gletscher-Reste trieb mir fast die Tränen in die Augen. Auch in den Alpen ist unübersehbar deutlich, was wir Menschen der Schöpfung in den vergangenen 200 Jahren angetan haben.

Hat Gottes Versprechen noch eine Chance?

Was wohl Gott angesichts all dessen „sagt“? Von Gott stammt ja das uralte Versprechen: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Aber mittlerweile überlege ich, ob die Menschheit die Erde vielleicht schon so zerstört hat, dass selbst Gottes Versprechen keine Chance mehr hat.
Hitzesommer, Missernten, Hochwasser, Frost, Winter nur noch auf dem Papier, ein riesiges Ozonloch, aber immer weniger Polareis: Wir steuern auf eine ökologische Katastrophe ungeahnten Ausmaßes zu. Alle wissen das. „Bebaut und bewahrt die Erde“, hat Gott gesagt. Zu 50 Prozent hielt sich die Menschheit daran: Wir haben die Erde bebaut, haben sie zugebaut und mit Beton und Asphalt versiegelt.

Aber Gottes Schöpfung bewahren? Wo, bitte, geschieht das wirklich? Da und dort im Kleinen, ja. Schön – aber immer noch zu wenig.

Leider sind auch die Kirchen zu sehr mit sich selbst und eigenen Strukturen beschäftigt. Von meiner evangelischen Kirche höre ich nicht einen Aufruf zur Umkehr vom Weg der Zerstörung. Dieses Schweige ist zum Schämen! Denn Gottes Schöpfung braucht laute, unbequeme Umkehr-Rufe, damit es endlich ein Ende hat mit den vielen Vergehen an Gottes Schöpfung.

Und weil hier Staat, Kirchen und viele andere Verantwortungsträger so kolossal versagen, hat die Schöpfung Gottes nur noch einen einzigen Anwalt: uns ganz normale, kleine Menschen. Vielleicht haben wir nur noch ganz wenige Jahre Gelegenheit zur Umkehr. Gottes Schöpfung braucht jetzt unser Handeln, unseren Protest; neue Wege. Aus Einzelnen müssen Tausende und dann Millionen und Milliarden werden, die die Schöpfung dann vielleicht tatsächlich noch retten können.

Wir sind dran. Sie und ich. Jetzt.
Martin Grab, evangelischer Pfarrer für Rheinbischofshheim, Hausgereut und Holzhausen

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