Interview mit Michel Mattoug zu den französischen Präsidentschaftswahlen
Frankreich und Macron: Zwischen Erleichterung und Begeisterung

Germanist und Jurist: Professor Michel Mattoug gibt eine Einschätzung zu den Präidentschaftswahlen. | Foto: gro
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Straßburg (gro). Der Pro-Europäer Emmanuel Macron wurde zum französischen Präsidenten gewählt. Mit seiner Bewegung "En Marche!" hat er die Parteienlandschaft im Nachbarland verändert. Stadtanzeiger-Redakteurin Christina Großheim sprach mit Michel Mattoug, Professor für Germanistik und Jura im Ruhestand sowie Fachmann für deutsch-französische Zusammenarbeit, über die Bedeutung des Wahlergebnisses.

Was bedeutet die Wahl von Emmanuel Macron für Frankreich?
Der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk nannte Macron eine Erscheinung wie Jean d'Arc oder Charles de Gaulle. Er war noch vor einem Jahr eine kaum bekannte Persönlichkeit und nun wurde er zum Präsidenten der Republik gewählt. Die Gemüter in Frankreich schwanken zwischen Erleichterung und Begeisterung, aber es gibt auch eine Unsicherheit. Macron hat die Parteienlandschaft revolutioniert. Er ist der Erste, der sich als links und auch als rechts bezeichnet. Das hat es bislang noch nicht gegeben.

Wie kann er nun seine Politik umsetzen?
Seine Partei ist kaum bekannt, es ist mehr eine Bewegung. Bei "En Marche!" gibt es kein klassisches ideologisches Gebäude wie bei den etablierten Parteien. Wir müssen abwarten, ob es seiner Partei gelingt, in der Nationalversammlung eine Mehrheit zu bekommen. Sie wird in drei Wochen, am 11. und 18. Juni, gewählt. In dieser Zeit wird es noch eine Reihe von Revolutionen in den Köpfen geben. Wenn er keine Mehrheit bekommt, wird die Nationalversammlung wohl innerhalb eines Jahres aufgelöst werden. Das ist übrigens das erklärte Ziel des Front National.
Wie wird sich die Wahl auf das deutsch-französische Verhältnis auswirken?

Macron setzt weniger auf die eigenen nationalen Interessen als auf die allgemeine europäische Idee. Das möchte er umsetzen, die Frage ist, ob die Deutschen dabei mitmachen werden. Nur dann kann er etwas bewirken. Ich denke, dass das deutsch-französische Verhältnis zu Beginn etwas krisenhaft sein wird, denn in Berlin stehen im Herbst Wahlen an, da wird Macron wenig konkrete Antworten auf seine Ideen bekommen.

Inwieweit wird das Ergebnis der Wahl die Entwicklung Europas beeinflussen?
Macron weiß, dass die jungen Menschen Europa wollen. Er weiß sehr genau, was in der Welt los ist, denn seine Anhänger sind im vergangenen Jahr zu den Bürgern gegangen und haben deren Meinungen und Überzeugungen abgefragt. Im Prinzip haben sie eine Bürgerbefragung gemacht. Europa kommt in diesen Antworten vor. Allerdings glaube ich, dass wir am Ende das Europa der zwei Geschwindigkeiten bekommen werden.

Welche Impulse kann der neue Präsident für die Grenzregion geben?
Auf so lokaler Ebene wird man wenig spüren. Frankreich ist und bleibt zentralistisch regiert. Wenn der Präsident Politik für die Grenzregionen macht, dann gilt diese für alle Grenzen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Macron in den Städten, auch in Straßburg, zwar große Zustimmung erfahren hat, aber das Elsass selbst nur mit 61 Prozent für ihn gestimmt hat. Das sind nur 41 Prozent der Wahlberechtigten, die ihn unterstützt haben. Michel Mattoug Michel Mattoug

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