Lärmaktionsplan
Mehr Tempo-30-Zonen gegen gesundheitliche Belastungen

Verkehrsüberwachung in den Kehler Ortschaften - hier Goldscheuer | Foto: rek

Kehl (st). Maßnahmen aus den ersten zwei Lärmaktionsplänen, haben bereits für zahlreiche Einwohnern in der Kehler Gesamtstadt sowohl tagsüber als auch nachts eine deutliche Verringerung der Lärmbelastung gebracht – zum Beispiel durch Tempo 30 in den Ortsdurchfahrten Bodersweier, Marlen und Goldscheuer. Auch auf einem Teilabschnitt der Hauptstraße im Stadtzentrum ist in den Nachtstunden die Geschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer begrenzt.

An 157 Gebäuden werden kritische Werte überschritten

Der seit 2018 in Baden-Württemberg geltende Kooperationserlass ermöglicht es nun in der dritten Runde des Lärmaktionsplanes, dass deutlich mehr Gebiete von Lärmminderungsmaßnahmen profitieren können. Derzeit wird in Kehl an 157 Gebäuden tagsüber und an 202 Wohnhäusern nachts der gesundheitskritische Lärmpegel überschritten. Eine deutliche Ausweitung der Tempo-30-Zonen könnte in den meisten Fällen Abhilfe schaffen. Das geht aus einem Vortrag hervor, den Martin Reichert vom Planungsbüro Modus Consult Gericke GmbH & Co. KG vor Stadträten online gehalten hat und der auf städtischen Homepage abgespielt werden kann.

Öffentliche Diskussion geplant

Eigentlich sollte auch zur dritten Runde der Lärmaktionsplanung – wie schon bei den vorausgegangenen Etappen – eine breite Information der Öffentlichkeit bei Bürgerabenden in der Kernstadt und den Ortschaften erfolgen. Weil die Corona-Pandemie dies unmöglich macht, stellt die Stadtverwaltung den Vortrag und die anschließende Fragerunde mit Stadträten in zwei Videos online zur Verfügung. Eine Diskussion in öffentlichen Sitzungen von Ortschaftsräten und Gemeinderat wird im Laufe des ersten Halbjahres stattfinden, bevor die Lärmaktionsplanung offengelegt wird und Bürger ihre Anmerkungen machen können.

Bisher waren Lärmschutzmaßnahmen im Straßenverkehr erst bei Überschreiten der Schwellenwerte der Gesundheitsgefährdung von 70 dB(A) am Tag und 60 dB(A) in der Nacht verkehrsrechtlich zulässig. Seit Einführung des Kooperationserlasses – Lärmaktionsplanung des Landes Baden-Württemberg vom 29. Oktober 2018 – können nun Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg bereits Maßnahmen im Lärmaktionsplan aufnehmen, wenn gesundheitskritische Pegelwerte von 65 dB(A) am Tag und 55 dB(A) in der Nacht überschritten werden. Dabei muss eine rechtsfehlerfreie Abwägung der Maßnahmen durch die Städte und Gemeinden selbst erfolgen. Die zuständigen Verkehrsbehörden müssen jedoch weiterhin ihre Zustimmung erteilen.

Neu aufgenommen wurde in die Lärmkartierung die Tram; der Verkehr auf den Bahnschienen bleibt weiterhin außen vor, weil dort zu wenig Züge fahren. Wichtig ist: Für die Lärmaktionsplanung wird der Lärm nicht gemessen, sondern anhand der Verkehrsbelastung auf den unterschiedlichen Straßen errechnet.

Aufgrund der Corona-Pandemie konnte zwar keine aktuelle Verkehrszählung stattfinden, erklärt Kora Herrmann, Leiterin des Bereichs Stadtplanung/Umwelt, die sehr umfangreiche Verkehrszählung und Befragung der Verkehrsteilnehmer aus dem Jahr 2012, sowie ergänzende Zählungen in den vergangenen Jahren, stellten jedoch eine gute Grundlage dar.
Teil der Lärmaktionsplanung ist auch eine sogenannte Hot-Spot-Analyse: Hier wird farbig dargestellt, wie viele Anwohner in welcher Höhe von einer Lärmpegelüberschreitung betroffen sind. Solche Hot-Spots wurden sowohl in der Kernstadt als auch in einigen Ortschaften identifiziert. Daraus ergibt sich, dass in der Gesamtstadt tagsüber an 157 Gebäuden und in der Nacht an 202 Häusern die gesundheitskritischen Auslösewerte überschritten werden.

Beispiele für mögliche 30er-Zonen

In einigen dieser Bereiche könnte die Situation – relativ kurzfristig – durch die Ausweisung von Tempo-30-Zonen verbessert werden. So könnte die Geschwindigkeit tagsüber beispielsweise in Auenheim auf einem Abschnitt der Freiburger Straße reduziert werden, in der Kernstadt auf Teilen der Hauptstraße, in Neumühl in einem Bereich auf der Elsässer Straße, in Kork auf der Land-, der Herren-, und der Zirkelstraße. Allein durch diese Tempo-30-Maßnahmen könnte für 30 Prozent der Betroffenen die Lärmbelastung so verringert werden, dass sie unter den gesundheitskritisch relevanten Schwellenwert sinkt. Allerdings muss bei einigen dieser Maßnahmen berücksichtigt werden, dass der Busverkehr betroffen wäre und teilweise den Fahrplan nicht mehr einhalten könnte.

Selbst wenn alle Tempo-30-Maßnahmen ausgewiesen würden, lebten immer noch 257 Kehler am Tag und 261 in der Nacht in Bereichen, in denen die Lärmbelastung zu hoch ist. Hier könnten – als mittelfristige Maßnahmen – Fahrbahnsanierungen Abhilfe schaffen. Danach blieben zwar, gerade in den Ortschaften, nur noch einzelne Gebäude in lärmkritischen Zonen; die Zahl der betroffenen Bewohner läge jedoch noch immer bei 182 am Tag und 191 in der Nacht. In diesem Zusammenhang weist der Schallschutzingenieur Reichert darauf hin, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei Lärmminderungsmaßnahmen stimmen muss, was bedeutet, dass der errechnete Nutzen über den Kosten liegen muss. Das bedeutet aber auch, dass eine Fahrbahnsanierung erst dann Sinn macht, wenn sie ohnehin erfolgen muss.

Zusätzlich wird das Land sogenannte passive Lärmschutzmaßnahmen (Lärmschutzfenster und Ähnliches) an Gebäuden entlang von Bundes- und Landstraßen fördern, an denen die Auslösewerte für die Lärmsanierung überschritten werden. Voraussetzung dafür ist, dass diese Gebäude bereits vor dem 1. April 1974 errichtet worden sind. Die Höhe der Bezuschussung der Lärmschutzmaßnahmen beträgt 75 Prozent.

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