Die knappe Bauzeit in Kehl fordert die Bauleitung an jedem Tag aufs Neue
Michael Knopf hat auf der Trambaustelle alles im Griff

Die Trambaustelle in Kehl ist eine Herausforderung für alle beteiligten Unternehmen.  | Foto: Stadt Kehl
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  • Die Trambaustelle in Kehl ist eine Herausforderung für alle beteiligten Unternehmen.
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Kehl (st). Er kennt jede Leitung, den Grund für jedes Loch und jeden Graben. Michael Knopf hat alles im Kopf, die Trambaustelle ist für ihn „wie ein Kind“. 300 Stunden lang hat der 55-Jährige, der für das von der Stadt beauftragte Büro Obermeyer die Bauoberleitung für die Tramtrasse vom Bahnhof bis zum Rathaus innehat, am Bauzeitenplan getüftelt – aus 25-jähriger Berufserfahrung weiß er, dass darin „viele Eventualitäten“ enthalten sind. Für jede hat er bereits einen Notfallplan parat, „für manche auch zwei“. Den Fertigstellungstermin zu halten und dabei den Anwohnern und Verkehrsteilnehmern so wenig Unannehmlichkeiten wie möglich zu bereiten – „dafür lebe ich und daran werde ich gemessen“, erklärt er. Michael Knopf ist fest davon überzeugt, dass der Probebetrieb der Tram auf der Strecke bis zum Rathaus am 1. Oktober 2018 beginnen kann. „Es ist eine knifflige Maßnahme“, räumt er ein. Und macht dabei den Eindruck, dass ihn genau dieser Umstand besonders reizt.

Nach konventionellem Verfahren hätte sich die Bauzeit für die etwa 1,3 Kilometer lange Gleisstrecke vom Bahnhof bis zum Rathaus über 30 Monate erstreckt. Dann nämlich, wenn man zunächst alle Leitungen für Gas, Wasser, Strom und Telekommunikation neu- oder so umverlegt hätte, dass sie nicht mehr unter der Gleistrasse liegen und erst nach dem Abschluss in den Gleisbau eingestiegen wäre, um dann, wiederum im Anschluss, noch die Fahrleitungen zu errichten. Heute versuche man immer häufiger, möglichst viele Arbeiten zusammenzufassen.
Ein Beitrag zur Stressminimierung bei der Bauoberleitung ist die neue Verfahrensart nicht. „Die Ausführung ist das Ende der Kette“, sagt Michael Knopf, „schwierig ist, dass wir keine Zeit mehr zu verschenken haben“. Und da sind dann auch „Kleinigkeiten kein Klecklerskram“. Da wird Michael Knopf plötzlich zum City Center gerufen, weil bei den Bauarbeiten eine Gasleitung auftaucht, wo keine sein dürfte. Er verständigt sofort den Gasversorger – „mit Gas ist nicht zu spaßen“ – aus der Ruhe bringt ihn der Vorfall jedoch nicht: „So ein Highlight hat man jeden Tag.“ Für Michael Knopf sind das die Schwierigkeiten, die das Bauen im Bestand eben mit sich bringt. „Man kann nicht klüger sein als die Bestandspläne“, konstatiert er trocken. Und dass Leitungspläne oft nicht stimmen, dafür gibt es viele Gründe. „Unsere Altvorderen haben die Leitungen entlang der Gebäudekanten gelegt“, während des Krieges wurden Gebäude zerstört, der Wiederaufbau musste schnell gehen – nicht immer wurden dabei neue Leitungspläne erstellt oder alte korrigiert. Dazu kommt, dass in der Bundesrepublik lange unterschiedliche Koordinatensysteme existierten – schon die bloße Umrechnung berge eine Fehlerquelle, weiß Michael Knopf. In der Bauausführung kann eine Abweichung von 20 Zentimetern große Folgen zeitigen: „So eine Gasleitung kann dann schnell eine Woche kosten.“

Auch ein Steuerpegel für die Grundwasserhaltungsanlage wurde bei den Bauarbeiten an unerwarteter Stelle entdeckt. Das Versetzen mit allen Genehmigungsverfahren des für die Kehler Insel sehr wichtigen Steuerelements würde etwa vier Monate dauern, hat Michael Knopf von Tiefbaubereichsleiterin Dr. Silke Roder gelernt, jetzt wird an der entscheidenden Stelle die Trasse leicht verschoben. „Wir kriegen das hin.“ Schachtdeckel mit gelben Ziffern drauf elektrisieren Michael Knopf geradezu. „Hier müssen wir aufpassen“, erklärt er, darunter befinden sich die EDV-Leitungen für das Stadtnetz der Stadtverwaltung ebenso wie wichtige Glasfaserleitungen zahlreicher Firmen im Kehler Hafen. Erst wenn die Leitungen umgelegt sind, kann der Gehweg auf der Ostseite der Großherzog-Friedrich-Straße in Angriff genommen werden.

All diese Abhängigkeiten hat Michael Knopf in einem Netzplan erfasst, der den Bauzeitenplan ergänzt und in enger Zusammenarbeit mit der städtischen Tiefbauingenieurin Ilona Jetschmanegg ständig fortgeschrieben wird. Heute müssen Entscheidungen getroffen werden, die weit in die Zukunft weisen: „Ich weiß nicht, welche Übertragungstechnik wir in zehn Jahren haben werden, aber jetzt muss entschieden werden, welches Rohr wir einbauen“, beschreibt Knopf das Dilemma. In Absprache mit dem städtischen EDV-Chef Michael Knapps werden grüne sogenannte Mikropipes in den Boden gelegt. Daneben sind zwei „erdverlegbare Mehrfachrohrtrassen“ sichtbar, also zunächst leere Rohre, in die später im Bedarfsfall Leitungen eingeschoben werden können. „Das kostet jetzt 'en Appel und 'en Ei“, sagt Michael Knopf, in ein paar Jahren können die Rohre sehr wertvoll sein.

Allein im Hauptverkehrsknotenpunkt Hauptstraße/Fußgängerzone/Oberländerstraße wurden 200 Meter Wasserleitung neu verlegt, in der Großherzog-Friedrich-Straße 250 Meter. Während die großen Leitungsstränge in der Regel innerhalb von einer Woche im Boden liegen, nimmt der Anschluss der einzelnen Hausanschlüsse dreimal so viel Zeit in Anspruch. 700 Meter Abwasserleitung müssen in der Großherzog-Friedrich-Straße ebenfalls ersetzt werden, weil der Kanal sonst direkt unter den künftigen Gleisen verlaufen würde. Um die Arbeiten zu ermöglichen, musste das Grundwasser abgesenkt werden.

Michael Knopf kann stundenlang von seiner Baustelle erzählen: von Schichtenwasser, Lichtsignalanlagen, Redundanztrassen, Schottertragschichten, Tiefborden, Schutzrohrtrassen und Beleuchtungskörpern. In zwölf Jahren bei der Bundeswehr habe er gelernt, wenn man einen Auftrag bekomme, müsse man den auch erfüllen. „Dieses Bewusstsein kriege ich nicht mehr los“, hat er für sich festgestellt. Jede der vierstündigen Baubesprechungen am Donnerstagvormittag bringt neue Herausforderungen. Für das Verfassen des Protokolls wendet Michael Knopf etwa die doppelte Zeit auf. Er prüft und recherchiert so lange, bis er einen Lösungsweg gefunden hat. „Aufgabenunterschätzung und Selbstüberschätzung ist eine explosive Mischung“, sagt ihm seine 25-jährige Ingenieurserfahrung. Zufrieden ist er erst, wenn er alle Nüsse geknackt hat. Das Einzige, was ihn manchmal traurig stimmt, ist der der Umstand, „dass alles, was wir jetzt machen, später wieder verfüllt wird und Sie sehen nicht mal mehr, dass wir da waren“.

Die Trambaustelle in Kehl ist eine Herausforderung für alle beteiligten Unternehmen.  | Foto: Stadt Kehl
Bei Fragen oder Problemen ist Michael Knopf (rechts) der wichtigste Ansprechpartner.  | Foto: Stadt Kehl

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