Integrationsmanager
Wegweiser im Dschungel der Bürokratie

Eine der Kehler Integrationsmanagerin bei der Beratung | Foto: Stadt Kehl

Kehl. Sie sind Lotsen im deutschen Bürokratie-Dschungel, Anlaufstelle in allen Lebenslagen und nicht selten auch Trostspender. Vor allem aber leisten Integrationsmanager Hilfe zur Selbsthilfe in allen Fragen, mit denen sich jeder Deutsche im Laufe seines Lebens ebenfalls konfrontiert sieht.

Den typischen Fall gibt es genauso wenig wie den typischen Flüchtling. „Jeder einzelne Fall ist super speziell“, sagt Birgitt Mylo und bringt damit die Arbeit der städtischen Integrationsmanager auf den Punkt. Vielseitigkeit, Flexibilität, Organisationstalent und ein hohes Maß an Empathie wird vom fünfköpfigen Integrationsmanagementteam tagtäglich gefordert, das sich vier Vollzeitstellen teilt und sich zusammen um knapp 600 Geflüchtete kümmert, die inzwischen in Kehl in der sogenannten Anschlussunterbringung, also in Mietwohnungen, leben.

„Briefe, Briefe und nochmal Briefe“ beschäftigen in hohem Maße die Geflüchteten und bestimmen damit auch den Arbeitsalltag von Johanna Bung, Svenja Gerbendorf, Nina Pittschi, Birgitt Mylo und Fares Mousa. Der 28-jährige Syrer, der vor knapp drei Jahren selber als Flüchtling in die Ortenau kam, kann das gut nachvollziehen: In seiner Heimat kommt kein Brief vom Amt; wie in vielen anderen Herkunftsländern von in Kehl lebenden Geflüchteten existiert keine funktionierende Post. Amtliche Mitteilungen werden den Betroffenen entweder von Bediensteten der jeweiligen Quartiersverwaltung persönlich überbracht oder sie werden ins Rathaus des Wohngebiets bestellt. Das erklärt, warum viele Flüchtlingsfamilien – über die Sprachprobleme hinaus – mit der Flut an Briefen überfordert sind, die sie erreicht.

„Sie können oft Wichtiges nicht von Unwichtigem unterscheiden“, hat Birgitt Mylo festgestellt. Ein Werbeschreiben mit Briefkopf sieht für sie nicht selten offiziell aus – sie kommen damit genauso zu den Integrationsmanagern wie mit Schreiben der Kommunalen Arbeitsförderung oder der Kindergeldstelle. Nebenkostenabrechnungen für die Wohnung sind für sie schwer zu durchschauen – die meisten wollen die Zahlenkolonnen gerne nachvollziehen können.

Dass sie das schaffen, ist auch das Ziel des Integrationsmanagementteams, dessen Personalkosten komplett vom Land getragen werden. Die vier Integrationsmanagerinnen und Manager-Kollege Fares Mousa erklären und zeigen, wie der Lebensalltag in Kehl gemeistert werden kann. Sie helfen bei der Anmeldung von Kindern in Kindertageseinrichtung oder in der Schule, sie unterstützen bei der Wohnungssuche oder – ergänzend zur Kommunalen Arbeitsförderung – auch bei der Suche nach Arbeit. Hilfe zur Selbsthilfe heißt die Devise. Vor allem bei Dingen, die erneut vorkommen: einen Dauerauftrag einzurichten oder zu kündigen, zur Kehler Tafel zu gehen oder einen Leseausweis für die Kehler Mediathek ausstellen zu lassen, fordern sie die Geflüchteten auf: „Probier’s selber – wenn du es nicht schaffst, kannst du wieder herkommen, dann machen wir es zusammen.“

Das Integrationsmanagementteam hat sich die Aufgaben aufgeteilt: Während Johanna Bung für Flüchtlinge Ansprechpartnerin ist, die eine Wohnung suchen, genauso wie für Haus- oder Wohnungsbesitzer, die sich Flüchtlinge als Mieter vorstellen können oder schon an welche vermietet haben, verbringt Svenja Gerbendorf „viel Zeit mit netzwerken“. Zu wissen, wer für welchen Flüchtling in welcher Angelegenheit zuständig ist, ist essenziell für die Intergrationsmanagerinnen. Schließlich müssen sie an die richtigen Stellen und Behörden weiterverweisen, wenn sie selber nicht helfen können.

Geflüchtete, die Arabisch oder Kurdisch sprechen, wenden sich gerne an Fares Mousa. Manche haben Hemmungen, Deutsch zu sprechen, weiß der Syrer, schämen sich, weil sie die Sprache aus ihrer eigenen Sicht noch nicht gut genug beherrschen. Aber nicht nur das: „Sie überprüfen bei mir, was sie hier und dort gehört haben“, berichtet der 28-Jährige. Fares Mousa gegenüber trauen sie sich eher Fragen zu stellen, im Wissen, dass er ihre Kultur versteht. Seit er zum Integrationsmanagementteam gehört, kommen auch Flüchtlinge, die sich vorher nicht unbedingt in die Sprechstunden der Teammitglieder gewagt haben. „Das hat sich rumgesprochen“, sagt Svenja Gerbendorf, „dass da einer ist, der sie versteht“.

Aber auch, dass das Team in vielen Fällen helfen konnte, hat längst die Runde gemacht: Wer einmal in einer der acht wöchentlich stattfindenden Sprechstunden war, hat die Hemmschwelle überwunden, kommt wieder und animiert in der Regel andere, den gleichen Weg zu gehen. „Manchmal“, sagt Svenja Gerbendorf, „stehen schon elf Leute vor der Tür“, wenn ich ankomme. Und oft sind es die „banalen Bitten, hinter denen sich ein ganzer Berg auftut“.

Von anderen Stellen bekommt das Integrationsmanagementteam von der Kommunalen Arbeitsförderung oder vom Pflegestützpunkt Hinweise darauf, dass eine Familie Hilfe braucht, die bisher nicht in einer der Sprechstunden aufgetaucht ist. In solchen Fällen machen die Teammitglieder dann auch Hausbesuche. Oder eben auch dann, wenn der richtige Brief, das richtige Dokument zum wiederholten Male nicht mit in die Sprechstunde gebracht wurde.

Nina Pittschi kümmert sich darüber hinaus noch um die Flüchtlinge, die bei der Stadt Kehl und der Städtischen Wohnbaugesellschaft mit jeweils sechs Monate währenden Arbeitsverträgen über 15 Wochenstunden eingestellt sind: Sie erhalten über das vom Gemeinderat bewilligte Programm die Möglichkeit, ihre handwerklichen Fertigkeiten zu beweisen und darüber einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden.

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