Eine Frage, Herr Spirgatis
Die Angst vor Überforderung

Martin Spirgatis | Foto: privat

In der Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach Hund, Katze und Co. stark gestiegen. Welche Auswirkungen und Probleme das mit sich bringt, erläutert Martin Spirgatis, erster Vorsitzender des Tierheims und Tierschutzvereins Lahr und Umgebung, im Gespräch mit Daniela Santo.

Welche Tiere werden aktuell besonders schnell vermittelt?
Corona ist für Tierheime kein Grund, die Tiere schneller zu vermitteln. Natürlich könnten wir Welpen aller Art vermitteln. Doch diese sind in Tierheimen selten. Daher boomt leider der kriminelle Handel mit Welpen aus ausländischen Zuchtfabriken.

Manche Tierheime geben keine Tiere mehr an Berufstätige ab, weil sie fürchten, dass nach der Pandemie die Tiere wieder abgegeben werden.
Wenn Berufstätigkeit ein Kriterium für die Nichtvermittlung von Tieren wäre, dann dürften wir selbst und die Angestellten im Tierheim keine Tiere halten. Das zu vermittelnde Tier muss zur Lebenssituation passen. Nicht nur zu der in Corona-Zeiten, sondern auch dann, wenn der Alltag wieder Einzug hält. Daher sind unsere Vermittlungskriterien die gleichen wie vor den Lockdowns. Wir legen Wert auf ausführliche Beratung und suchen zusammen mit den Interessenten das passende Tier. Das kann natürlich auch dazu führen, dass es keine passende Kombination gibt.

Ist die erhöhte Nachfrage eher Fluch oder Segen?
Im Hinblick auf die Deckung der erhöhten Nachfrage durch illegalen Welpenhandel wird sich das in absehbarer Zeit eher als Fluch gestalten. Die Tierheime in Deutschland waren bereits vor der Pandemie unter großem Druck, all die Tiere aufzunehmen. Es steht zu befürchten, dass es in absehbarer Zeit zu einer enormen Schwemme durch diese zusätzlichen Tiere und womöglich deren Nachwuchs kommen wird. Dann stehen die Tierheime vor großen Problemen. Denn sind die Tierheime voll, wird die Zahl der ausgesetzten Tiere deutlich ansteigen. Das, in Kombination mit der gleichzeitig sinkenden Nachfrage, wird das Tierheimsystem womöglich überfordern. Die meisten Tierheime haben feste Fundtierverträge mit Städten und Gemeinden, die auf das bisher gewohnte Tieraufkommen ausgerichtet sind. Eine deutlich steigende Anzahl an Tieren bei gleichbleibenden, meist zu niedrigen Zahlungen der Kommunen, wird die Tierheime in die Knie zwingen. Stehen die Tierheime vor dem Aus, werden die Gemeinden angesichts strapazierter Kassen große Probleme bekommen. Leider keine schönen Aussichten für die Zukunft.

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