Heimfallrecht von Klinikgebäude verlängert
Experte lobt Nachnutzung

Der Oberkircher Gemeinderat beriet eingehend in seiner jüngsten Sitzung über Zukunft des Oberkircher Krankenhauses.  | Foto: Ulrich Reich/Stadt Oberkirch
  • Der Oberkircher Gemeinderat beriet eingehend in seiner jüngsten Sitzung über Zukunft des Oberkircher Krankenhauses.
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Oberkirch (st). Mit der Nachnutzung des Oberkircher Krankenhauses beschäftigte sich am Montagabend, 27. September, der Gemeinderat. Insbesondere der Zeitpunkt des sogenannten Heimfalls der Klinik an die Stadt war dabei ein Thema. Zahlreiche Bürger nutzten die Gelegenheit der Fragestunde.

Die Bedeutung der Beratung zeigte sich auch am großen Interesse der Bürger. Noch vor dem Aufruf des eigentlichen Tagesordnungspunktes wurde das Thema 45 Minuten in der Bürgerfragestunde behandelt. Im Anschluss wurde der entsprechende Tagesordnungspunkt aufgerufen und eingehend beraten, bevor dann ein Beschluss über den Zeitpunkt des Heimfalls vom Klinikgebäude getroffen wurde, so die Stadtverwaltung in einer Pressemitteilung. Oberbürgermeister Matthias Braun konnte zu dem Tagesordnungspunkt auch Jan Hacker begrüßen. Hacker ist Vorstandsvorsitzender der Firma Oberender, die sich deutschlandweit mit Kliniknachnutzungen beschäftigt und Zukunftsmodelle ausarbeitet. Ein ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet. „Herr Hacker berät uns bei der Nachnutzung des Oberkircher Krankenhauses und wird als ausgesprochener Fachmann im Gesundheitswesen auch an den Verhandlungen mit dem Kreis teilnehmen“, informierte Oberbürgermeister Matthias Braun in der Sitzung. „Dass das Schließungsthema viel an Emotionen beinhaltet, liegt in der Natur der Sache. Und ich darf Ihnen auch sagen, für mich war es sehr sehr bitter, als der Kreistag im Juli 2018 die Schließung unter anderem auch des stationären Betriebs des Oberkircher Krankenhauses beschlossen hat“, schilderte Braun.

„Ich habe gegen die Schließung gestimmt“

„Ich habe gegen die Schließung gestimmt, einen entsprechenden Antrag von mir und einigen anderen Kreistagskollegen, allerdings leider nicht aus dem Renchtal, wurde mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit abgelehnt.“ In der Folge hat Braun zusammen mit Fraktionskollegen lange und hart dafür gekämpft, dass der Beschluss nochmals auf den Prüfstand kommt. „Ich habe damals auch schon gesagt, dass ich nicht glaube, dass die zu schließenden Standorte bis 2030 in Betrieb bleiben und nach dem sogenannten Modell Landrat weitergeführt werden. Und so kam es dann auch.“ Landrat Frank Scherer legte dem inzwischen neugewählten Kreistag die vorzeitige Schließung der Häuser in Oberkirch und Ettenheim vor, obwohl der Vorgänger-Kreistag etwas anderes beschlossen hatte. „Ich habe der vorzeitigen Nachnutzung unseres Krankenhauses ebenfalls nicht zugestimmt. Der Kreistag hat dies mit großer Mehrheit beschlossen. Wir alle, die wir an die politische Glaubwürdigkeit appelliert hatten und auf den massiven Vertrauensverlust hingewiesen haben, der mit solchen korrigierten Beschlüssen des Kreistages einhergehen, mussten – wie die Bevölkerung auch – Zeuge werden, wie einmal gefasste politische Beschlüsse gekippt werden können“, erinnerte Oberbürgermeister Braun. Dieses Verhalten hat in ihm einen massiven Vertrauensverlust nach sich gezogen, erklärte Braun am Montagabend. „Aber wenn der Kreistag die entsprechenden Beschlussvorschläge absegnet, ist das eben so.“

Experte spricht sich für Nachnutzungskonzept aus

Hacker machte aber in der Sitzung deutlich, dass Oberkirch kein Einzelfall ist. Bundesweit sei ein Konzentrationsprozess bei den Krankenhäusern zu beobachten. Im europäischen Vergleich verfüge Deutschland über viele Klinikstandorte. „Wäre der Ortenaukreis in den Niederlanden oder Italien hätte man nur ein Krankenhaus“, gab Hacker zu bedenken. In den kommenden fünf bis zehn Jahren werde es bundesweit nicht mehr die Kliniklandschaft geben, so wie man sie kenne. Der medizinische Fortschritt schreite in dramatischer Geschwindigkeit weiter. Er sieht keine Möglichkeit mehr, dass kleine bis mittelgroße Krankenhäuser eine solche stationäre Versorgung abbilden könnten. Dazu kommt aus Sicht des Experten der Mangel an Personal, egal ob Ärzte oder Pflegekräfte. Bereits heute stelle dieser die Organisation des Krankenhausbetriebs vielerorts vor große Herausforderungen. Aus Hackers Sicht seien die Kreistagsbeschlüsse in hohem Maße eindrucksvoll: „Überall herrscht Finanzknappheit, aber der Kreis stellt 100 Millionen Euro für die Nachnutzung der abgebauten Häuser bereit.“ Auch das Konzept für Oberkirch, ein altenpflegerisches Angebot mit Genesungsbetten und der Versorgung kranker Menschen zu kombinieren, sei für ihn eine runde Sache.

Bürger haben Vertrauen in Kreis verloren

Oberbürgermeister Braun stellte klar, dass er zusammen mit den neugewählten Kreistagskollegen des Renchtals alles unternommen hat, um mit der gemeinsam erarbeitenden Nachnutzungskonzeption das Bestmögliche für das Oberkircher Krankenhaus herauszuholen. „Glauben Sie mir, da waren wir nicht in einem Wunschkonzert, sondern das Bestmögliche ist das, was der Kreistag letztlich auch bereit ist, zu beschließen“, sprach das Stadtoberhaupt über die Hintergründe. Der Beschluss des Kreistages lautete den Krankenhausbetrieb zum 30. September in Oberkirch aufzugeben. Dass dies dann aber schon vorzeitig zum 3. September beschlossen wurde und zwar nicht vom Kreistag selbst, sondern durch eine Eilentscheidung des Landrates, habe erneut einen massiven Verlust in das Vertrauen politisch gefasster Entscheidungen mit sich gebracht. „Ich bin darüber ebenso verärgert wie viele andere auch“, unterstrich Oberbürgermeister Braun. „Aber es macht keinen Sinn, dass wir uns aneinander abarbeiten, Kraft und Zeit verschwenden, sondern jetzt müssen wir nach vorne schauen. Wir haben mit dem fast einstimmig beschlossenen Nachnutzungskonzept durch den Kreistag etwas in der Hand, was ausbaufähig ist, denn dieser Beschluss beinhaltet gerade auch in dieser Richtung eine Öffnungsklausel, womit weitere medizinische Leistungsangebote am „Zentrum für Gesundheit Oberkirch“ etabliert werden sollen und etabliert werden können“, hob das Stadtoberhaupt hervor.

Anfang Mai 2021 hat der Kreistag die Nachnutzung zum 30. September beschlossen. Oberbürgermeister Braun hat bereits im Juni 2021 für die Nachnutzung eine Kommission einberufen. In dieser sitzen Vertreters des Runden Tisches, Stadtrat Dr. Rainer Stier und Dr. Meinrad Heinrich, Fördervereins und Stadträtin Eveline Seeberger. „Lassen Sie uns gemeinsam mit der zweiten Säule und dem Ortenau Klinikum an einer guten Nachnutzung arbeiten. Gerne nehme ich auch Kontakt zu potentiellen Interessenten aus der Ärzteschaft auf, sobald ich sie kenne“, betonte Braun. Bis heute sei ihm aber kein Ansprechpartner bekannt. Er führe aber bereits Gespräche mit dem neuen Geschäftsführer der Medizinischen Versorgungszentren Ortenau, Rainer Bühn, mit Blick auf die weitere Ausgestaltung des künftigen Medizinischen Versorgungszentrums in den ehemaligen Klinikräumen. Dies erfordere aber noch Zeit und Geduld. Der als Experte für die Nachnutzung von Kliniken geladene Jan Hacker lobte ausdrücklich das Nachnutzungskonzept für Oberkirch.

Der Gemeinderat sprach sich am Ende der eingehenden Aussprache bei vier Gegenstimmen aus den Reihen der Bürger für Oberkirch (BfO) für den Abschluss eines Übergangsvertrags zwischen der Stadt und dem Ortenaukreis aus. Dieser Vertrag sichert Oberkirch das sogenannte Heimfallrecht von Klinikgebäuden und Grundstücken bis zum 31. März 2022. Der Landkreis hat sich 1976 bei der Übernahme des städtischen Krankenhauses „St. Bernhard“ vertraglich verpflichtet, das komplette Klinikgelände an die Stadt zurückzugeben, für den Fall, dass der Krankenhausbetrieb einmal eingestellt wird. Dies ist nun eingetreten. Der Klinikausschuss des Kreistags stimmte am Dienstag bei einer Gegenstimme ebenfalls für den Übergangsvertrag (wir berichteten).

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