Pflegebündnis kritisiert geplante Reform
Entwurf weit hinter Erwartungen

An den Vorschlägen zur geplanten Pflegereform gibt es nicht nur aus der Ortenau Kritik. | Foto: Paul-Gerhardt-Werk
  • An den Vorschlägen zur geplanten Pflegereform gibt es nicht nur aus der Ortenau Kritik.
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Offenburg (gro). Die nächste Pflegereform in Deutschland steht an – und viele Berufs- und Pflegeverbände schlagen nach dem Vorliegen des Entwurfs Alarm. Darunter auch das Pflegebündnis Mittelbaden e.V., das sich 2013 im Raum Baden-Baden/Rastatt gegründet hat. Das Paul-Gerhardt-Werk aus Offenburg, das auch Pflegeeinrichtungen in Baden-Baden betreibt, ist ebenfalls Teil des Zusammenschlusses.

"Entwurf macht Lage nur komplizierter"

"Das vorgelegte Arbeitspapier bleibt weit hinter dem zurück, was angekündigt war. Es macht die Lage nur noch komplizierter", kritisiert Silke Boschert, Vorstand und Geschäftsführung des Paul-Gerhardt-Werk und Vorstandsmitglied des Pflegebündnis Mittelbaden. In ihren Augen bringt der Versuch, die Lücken in den geltenden Vorgaben zu schließen, nur wenig, denn: "Es ist ein wilder Dschungel. In der Vergangenheit wurden auf den bestehenden Vorgaben und Regelungen immer nur weitere daraufgesetzt. Dabei brauchen wir eine grundlegende Reform der Pflege."

Silke Boschert zeigt kurz auf, wie kompliziert das bestehende System ist: "Wir haben in der Pflege verschiedene Sektoren: ambulant, teilstationär und vollstationär. Jeder Sektor hat eine andere Form von Dienstleistung, die auf unterschiedlichen Gesetzen und Gesetzbüchern fußt. In jedem Sektor wird nach einem anderen System abgerechnet. Neben Bundesgesetzen gibt es auch Landesgesetze, sodass in jedem Bundesland etwa unterschiedliche Tarifverträge in der Pflege gelten." Grundsätzlich übernimmt die Pflegekasse nur einen Teil der Kosten in allen Sektoren. Alles, was darüber hinaus gehe, müsse von den Patienten, Bewohnern oder deren Angehörigen getragen werden.

"Menschen schultern Eigenanteil nicht mehr"

Während die Kosten für die Pflegekasse relativ stabil seien, würde der Eigenanteil der Bewohner in vollstationären Pflegeeinrichtungen stetig steigen. "Das schultern die Menschen nicht mehr", so Boschert und gibt ein Beispiel: Die Pflegekasse zahle für einen vollstationären Pflegeplatz bei der Einstufung in den Pflegegrad 3, der am häufigsten vorkomme, 1.262 Euro. "Damit sind die Kosten aber nicht gedeckt. Unsere Bewohner müssen zwischen 2.000 bis über 3.000 Euro selbst tragen", erläutert sie, Tariferhöhungen gingen somit immer zu Lasten der Bewohner.

Die Forderungen des Pflegebündnis Mittelbaden, die schon im Dezember 2020 aufgestellt wurden, lauten: die Aufhebung der Sektoren in der Pflege, eine bezahlbare Pflege in Form einer Deckelung der Eigenanteile im vollstationären Bereich sowie ausreichendes, qualifiziertes und entsprechend tariflich entlohntes Pflegepersonal. "Wenn der Entwurf so umgesetzt wird, wird alles nur noch komplizierter", ist sie enttäuscht. Der Entwurf für die Pflegereform mache den Vorschlag eines Stufenmodells mit relativem Deckel als Leistungszuschlag zu den Eigenanteilen ab dem 13. Monat. Neben dem neu hinzukommenden bürokratischen Aufwand sei jedoch die Verweildauer der Bewohner nicht ausreichend lang, dass diese einen Nutzen daraus ziehen könnten. Dabei habe der Gesundheitsminister ursprünglich einmal die Deckelung des Eigenanteils auf 700 Euro angekündigt.

Für Silke Boschert und viele andere in der Pflege engagierte Beteiligten steht fest: "Wir müssen uns die Frage stellen, was ist unserer Gesellschaft die Pflege wert? Das ganze System droht zu kippen, weil es nicht genügend qualifiziertes Personal und eine bezahlbare Pflege gibt." Für sie ist dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: "Die Kosten für die Bewohner müssen gedeckelt werden, alles was darüber hinausgeht, muss jemand übernehmen – das wird am Ende so oder so die Gesellschaft sein."

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