Einmal im Monat geht es in der Gruppe durch die Stadt
Critical Mass – für noch mehr Fahrrad

Jeden letzten Freitag im Monat wird gemeinsam geradelt.
Foto: Maren Manz
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Offenburg. Das ging noch einmal gut, der Bus hätte mich fast gerammt. Ich schimpfe ihm hinterher. Gerade will ich weiterfahren, da hält ein kleiner Wagen und ein junger Fahrer streckt mir einen gelben Flyer entgegen: „So Leute wie dich brauchen wir! Hast du heute Abend Zeit?“ Ich nehme den Flyer entgegen und lese die Überschrift: "Für mehr Fahrrad – Critical Mass“. Klar habe ich Zeit, aber was wird mich dort erwarten?

Eine Stunde später stehe ich in einer bunten Truppe. Senioren reihen sich an Kinder, Pedelecfahrer an Tandems. Manche von ihnen fuhren schon öfters mit, denn seit 2014 fährt die Critical Mass (CM) in Offenburg, andere sind neu und bekommen eine kleine Einführung. Ich höre gespannt zu. Laut § 27 StVO gilt eine große Gruppe mit mehr als 15 Teilnehmern als Verband und darf die gesamte Fahrbahn nutzen. Sobald ein Mitfahrender die Ampelkreuzung überquert, darf die gesamte Kolonne fahren, auch wenn die Ampel inzwischen auf Rot umgeschaltet hat. Mehr nicht – wir wollen also nur gemeinsam Fahrradfahren, gemütlich in einer netten Gruppe. Damit sich nicht allzu viele Autofahrer davon gestört fühlen, nutzt CM bevorzugt die Nebenstraßen.

Die CM ist kein Offenburger Phänomen, sondern fand zum ersten Mal 1992 in San Francisco statt und ist mittlerweile weit verbreitet. In Barcelona, Straßburg, Freiburg, Hamburg oder Stuttgart fahren sie monatlich durch die Straßen. Es kann durchaus sein, dass an solch einem Freitag einmal bis zu 500 Menschen Rad fahren. Ich erfahre von den Teilnehmenden, dass sie sich keine Rechte erkämpfen, nein, sie nehmen nur ihr Recht als Verband wahr. Eine junge Frau mit einem Kinderanhänger vergleicht ihre Fahrt mit einem Stadtbummel, sie möchte nette Leute kennenlernen und sich mit anderen Radfahrern austauschen.

Ich fahre täglich mit dem Rad durch Offenburg, aber auf der Grabenallee fuhr ich so noch nie. Meine Heimatstadt erscheint mir aus einer neuen, frischen Perspektive. Es kommt mir nicht in den Sinn, dass diese Aktion Autofahrer provozieren könnte, sie winken freundlich; doch dann fährt einer mit überhöhter Geschwindigkeit an uns vorbei. Ich erkundige mich bei einem langjährigen Mitradler, ob wir nicht doch provozierend wirken, vielleicht hat es einer eilig? Seine Antwort: Für alle, die sich provoziert fühlen, wäre es doch schöner, sich den letzten Freitag eines Monats in den Kalender einzutragen, diesen einen Tag das Auto stehen zu lassen, den Drahtesel zu entstauben und eine angenehme Fahrt in einer heterogenen Radgruppe zu haben.

Den Ärger über den Busfahrer habe ich vergessen, stattdessen ertönt meine Klingel im Chor der Pedalierenden für mehr Fahrrad.    Maren Manz

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