Joachim Gauck in Offenburg
"Freiheit ist nie selbstverständlich"

Joachim Gauck im Gespräch mit Bernadette Schnoog | Foto: Jigal Fichtner/Sparkasse
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  • Joachim Gauck im Gespräch mit Bernadette Schnoog
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Offenburg (st) Rund 1.000 Besucher erlebten am Freitagabend, 24. Oktober, in der Oberrheinhalle einen besonderen Gast: Auf Einladung der Sparkasse Offenburg/Ortenau sprach Altbundespräsident Joachim Gauck über Freiheit, Verantwortung und die Herausforderungen unserer Zeit.

„Es macht uns mächtig stolz, dass wir Sie gewinnen konnten“, begrüßte der Vorstandsvorsitzende Jürgen Riexinger laut einer Pressemitteilung den prominenten Redner. Offenburg, Freiheits- und Verfassungsstadt, bot den passenden Rahmen für einen Abend, der ganz im Zeichen von „Freiheit, Verantwortung, Zukunft“ stand. Unter den Gästen befanden sich auch Landrat Thorsten Erny, Oberbürgermeister Marco Steffens sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur.

Ernsthaftigkeit und Humor

Charmant, humorvoll, tiefgründig Im Gespräch mit Moderatorin Bernadette Schoog gelang Gauck der Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und Humor. Gleich zu Beginn bat er augenzwinkernd um mehr Saallicht – er wolle schließlich sehen, wenn jemand einschlafe. Der Ton war damit gesetzt: charmant, schlagfertig und zugleich tiefgründig. Der 85-Jährige sprach über seine Kindheit in der DDR, über Anpassung, Unterdrückung – und über die Kraft des „Dennoch“. Die Erfahrung der Unfreiheit, so Gauck, habe ihn gelehrt, wie wertvoll Freiheit wirklich ist: „Wer Freiheit nie verloren hat, hält sie oft für selbstverständlich. Freiheit ist nie selbstverständlich.“ Mit klarem Blick beschrieb er, wie Diktaturen entstehen, und dass es Diktaturfähigkeit nicht nur in bestimmten Teilen der Welt gebe. „Auch die edlen Badener und Schwaben waren einmal diktaturfähig“, sagte er mit einem Augenzwinkern. Die Lehre daraus: Kein Volk ist immun gegen autoritäre Versuchungen.

Prägende Zeit in der DDR Eindringlich sprach Gauck über die jahrzehntelange Prägung durch die Diktatur in der DDR und darüber, wie sie das Denken vieler Menschen bis heute beeinflusse. Anpassung sei damals oft überlebensnotwendig gewesen – ähnlich wie in der Nazizeit. „Unter einer anderen Fahne, aber mit dem gleichen Muster“, fasste Gauck die DDR-Regierung zusammen.

Entkernung der Potenziale

„Im Osten hieß das Motto nach dem Krieg: Wenn wir die Macht einmal haben, geben wir sie nicht mehr her.“ Über Jahrzehnte habe dieses System Eigenverantwortung und Initiative bestraft und zu einer „Entkernung der Potenziale“ geführt. Wer gelernt habe, dass Mitgestaltung gefährlich sein kann, tue sich auch in der Demokratie oft schwer, Verantwortung zu übernehmen. Diese Erfahrung wirke in Teilen der Gesellschaft bis heute fort, etwa in Form von Politikverdrossenheit oder Misstrauen gegenüber Institutionen. „Wenn Entscheidungen ausbleiben, entsteht der Eindruck, die Demokratie könne nicht handeln“, warnte Gauck.

Er kritisierte zudem die Medienlandschaft, die seiner Ansicht nach häufig einen einseitigen Fokus auf Probleme setze. Er wünsche sich, dass „das Gute im Land“ wieder stärker sichtbar werde, etwa das enorme Engagement in Vereinen und Organisationen. Gerade in der Ortenau gebe es davon besonders viel, so Gauck.

Ein „Erntedankkorb der Demokratie“

Zum Abschluss griff der Altbundespräsident ein starkes Bild auf – den „Erntedankkorb der Demokratie“, gefüllt mit allem, was unser Zusammenleben trägt: freie Wahlen, Meinungsfreiheit, Rechtsstaat, Sozialstaat, Frieden. Errungenschaften, die unsere Vorfahren und wir selbst geschaffen hätten und die es zu bewahren gelte. Langer Applaus und am Ende stehende Ovationen zeigten: Dieser Abend hat berührt, inspiriert – und sicher bei vielen ein Stück Nachdenklichkeit hinterlassen.

Nach der Gesprächsrunde nahm sich Joachim Gauck im Foyer noch Zeit, um Bücher zu signieren. Bei lauschiger Musik des Offenburger Solokünstlers Phildeau und einem Glas Wein klang der Abend in entspannter Atmosphäre aus. Die Sparkasse Offenburg/Ortenau spendet die gesamten Eintrittsgelder des Abends an drei regionale Initiativen: den Förderverein Pflasterstube Ortenau, die Lesewelt Ortenau sowie den Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenheim.

Joachim Gauck im Gespräch mit Bernadette Schnoog | Foto: Jigal Fichtner/Sparkasse
Joachim Gauck (v. l.), Bernadette Schnoog und Jürgen Riexinger | Foto: Jigal Fichtner/Sparkasse
Standing Ovations zum Abschluss eines inspirierenden Abends | Foto: Jigal Fichtner/Sparkasse
Großer Andrang bei der Signierstunde mit Joachim GAuck | Foto: Jigal Fichtner/Sparkasse

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