Urteil zur Arbeitszeiterfassung
Einfacher, Überstunden nachzuweisen

Aktuell sind 21 Prozent der Arbeitnehmer ohne Zeiterfassung.
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Ortenau (ds). Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) müssen Arbeitgeber künftig die Arbeitszeiten ihrer Angestellten systematisch erfassen. Offen lässt das Gericht, ob die Stunden elektronisch, auf Papier, per App oder Stechuhr festgehalten werden müssen. "Das Urteil beabsichtigt eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte. So soll die Gesundheit der Arbeitnehmer geschützt werden", erläutert Michael Walther, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Fahr Groß Indetzki in Offenburg. Außerdem erhoffe man sich zwischen den Unternehmen eine größere Transparenz. "Es sollen nachweisbar Ruhezeiten entstehen und Krankheitsbilder wie Burnout durch Arbeitsverdichtung verringert werden", so Walther.

Arbeitszeitgesetz

Aktuell bestehe bereits bei Minijobs oder Schichtarbeit die Pflicht, die Arbeitszeit zu erfassen. Auch für Kraftfahrer oder im öffentlichen Dienst gebe es Vorschriften, die Arbeitsstunden zu dokumentieren. "In vielen Branchen gilt jedoch eine Vertrauensarbeitszeit. Laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz gibt es bei 47 Prozent der Arbeitnehmer eine betriebliche Zeiterfassung, 32 Prozent führen ihre Zeiten selbst auf. Lediglich 21 Prozent sind ohne Zeiterfassung", erläutert der Fachanwalt im Gespräch mit der Guller-Redaktion. Mit der Zeiterfassung solle sichergestellt werden, dass die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden, aber auch für die Vergütung und die Feststellung von Überstunden sei die Zeiterfassung Grundlage. 

Was zählt eigentlich zur Arbeitszeit? "Arbeitszeit ist nach § 2 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen", erklärt Michael Walther. Ob die E-Mail abends auf der Couch dazu gehöre, hänge vom Einzelfall ab. "Hier ist von Bedeutung, was zwischen den Vertragsparteien vereinbart ist. Da hilft häufig ein Blick in den Arbeitsvertrag, der normalerweise die Länge der Arbeitszeit regelt", so der Anwalt. Nicht selten komme es vor, dass zwischen den Arbeitsvertragsparteien Streit über Arbeitszeiten bestehe. 

Überstundenvergütung

Der Klassiker sei die Klage des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Zahlung von Überstundenvergütung. "Bis zum EuGH-Urteil war es jedoch so, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Hürden für die erfolgreiche Durchsetzung von Überstundenvergütung recht hoch lagen. So musste der Arbeitnehmer genau vortragen, wann er welche Arbeitsleistung, insbesondere welche Mehrarbeit, auf Anordnung des Arbeitgebers erbracht hat. Ohne Zeiterfassung war dies in der Praxis häufig schwierig. Es lässt sich durchaus spekulieren, dass sich durch die Entscheidung des EuGH Änderungen ergeben werden", so der Offenburger Arbeitsrechtler. Das aktuelle Urteil richte sich allerdings zunächst an die EU-Staaten und nicht direkt an die Arbeitgeber. "Die einzelnen Länder müssen aber die Unternehmen verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die Arbeitszeit erfasst wird. Hier bleibt abzuwarten, wie dies in nationales Recht umgesetzt wird", sagt er. Es sei aber davon auszugehen, dass die Arbeitgeber zeitnah reagierten und die genaue Erfassung der Arbeitszeiten einführten.

Kritische Stimmen

"Kritische Stimmen befürchten durch die Einführung der Zeiterfassung eine durchgängige Überwachung der Arbeitnehmer nach dem Motto 'Big Brother is watching you'", berichtet Walther. Bedeutsam sei, dass Manipulationen der Arbeitszeiterfassung arbeitsrechtliche Konsequenzen von einer Abmahnung bis hin zur fristlosen Kündigung haben könnten. "Auf der anderen Seite sollte es für den Arbeitnehmer deutlich einfacher werden, Mehrarbeit nachzuweisen und die ihm zustehende Vergütung zu erhalten", so der Fachanwalt.

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