Die Glosse im Guller
Touchdisplay des Teufels

An und für sich bin ich ein Mensch mit bescheidenen Ansprüchen. Auf was ich jedoch nur ungern verzichte, das ist eine Tasse Kaffee mit viel Milch direkt nach dem Aufstehen.

Gehobener Kaffeegenuss

Viele Jahrzehnte war das kein Problem. Nicht einmal, als mit meinem Ehemann ein Automat für den anspruchsvollen Kaffeeguss in mein Leben trat. Kaffeebohnen oder Wasser in die kompliziert verbauten Behälter zu füllen oder das Ding gar entkalken, konnten nur Menschen mit Ingenieurs-Diplom. Aber das hatte ja der Mann, mit dem ich Tisch und Bett sowie seine Kaffeemaschine teilte. War alles befüllt, genügte ein Knopfdruck. Das bekam auch ich hin.

Von Cappuccino bis Latte Macchiato

Doch dann: Ein letztes Zischen, ein kleines Dampfwölkchen und das edle Teil stellte für immer seinen Dienst ein. Eine Reparatur war angeblich nicht mehr möglich, ein neuer, modernerer Automat wurde angeschafft. Alleine die Programmierung dauerte einen halben Tag oder länger. Ich weiß es nicht so genau, weil ich erst abends dazu kam, um das Ergebnis zu bestaunen. Jeder, der bereit ist, hinterher den kleinen Schlauch für Milch wieder mühevoll zu reinigen, kann sich Kreationen von Cappuccino bis Latte Macchiato zaubern. Aber das habe ich noch nie probiert. Ich bin ja schon froh, wenn ich einen ganz simplen Kaffee rausbekomme.

Göttin der koffeinhaltige Heißgetränke

Schuld ist dieses Touchdisplay des Teufels. Jeden Morgen bete ich auf dem Weg zur Küche zu der launischen Göttin für koffeinhaltige Heißgetränke um das notwendige Fingerspitzengefühl. Denn das braucht man, um mit Hilfe dieses berührungsempfindlichen Bildschirms den Automaten zum Arbeiten zu bewegen. Manchmal bekomme ich ihn nicht einmal an. Ein andermal füllt er in meine 250 Milliliter fassende Tasse nur so viel Kaffee, dass gerade einmal der Boden bedeckt ist. Auf weitere Aktivitäten hat er dann keine Lust mehr und schaltet einfach ab. Ich empfinde das als pure Schikane gegen meine Person. Der andere Hausbewohner, der normalerweise später aufsteht, hat diese Probleme nicht. Es ist demütigend zuzusehen, dass bei ihm ein kleiner Stupser genügte, um einen perfekten Kaffee zu bekommen.

Instantkaffee

Um im Fall der Fälle trotzdem einen Wachmacher in petto zu haben, steht jetzt ein Glas Instantkaffee im Schrank. Mein Wasserkocher hat einen ordinären Hebel, den auch Grobmotoriker bedienen können. Leider schmeckt der Kaffee nicht so lecker. Ich habe schon überlegt, mir einen Coffee to go beim Bäcker zu holen. Ohne Koffeinzufuhr finde ich aber nicht mal die Haustür, geschweige denn einen Bäcker. Ob es wohl einen Lieferdienst gibt? Falls ja, bitte melden!
Anne-Marie Glaser

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