Dominik Fehringer:
Zolldeal ist für die Ortenau kein Grund zum Jubeln

- Tor zur Welt: der Kehler Hafen
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Offenburg 15 und nicht 30 Prozent Einfuhrzoll auf die meisten Waren aus der EU in die USA. Das ist weniger als angedroht, aber ein Grund zum Jubeln? nectanet-Geschäftsführer Dominik Fehringer ordnet den Deal ein.
Wie stark treffen die neuen Zölle die Unternehmen in unserer Region?
Die Zölle treffen unsere Region an einem wunden Punkt: Wir sind industriell stark aufgestellt, aber im ländlichen Raum strukturell verwundbarer. Der Black Forest Power Region ist in Baden-Württemberg die stärkste Heimat der Hidden Champions – hochspezialisierte, oft familiengeführte Unternehmen, die auf internationale Märkte angewiesen sind. Gerade diese mittelständischen Betriebe haben selten die Ressourcen, um kurzfristig auf geopolitische Handelsbarrieren zu reagieren. Die Zölle führen zu realen Mehrkosten, Investitionszurückhaltung und wachsender Unsicherheit in der Planung.
Welche Produkte und Branchen sind davon besonders stark betroffen?
Besonders betroffen sind die klassischen Säulen unserer regionalen Wirtschaft: Maschinen- und Anlagenbau, Präzisionsfertigung, Elektrotechnik und Automobilzulieferung. Auch im Bereich Umwelttechnik und Medizintechnik, wo wir in der Region einzelne starke Player haben, geraten die Lieferketten unter Druck. Die Zölle treffen vor allem Produkte mit hoher technologischer Tiefe – und damit genau jene Güter, mit denen unsere Betriebe auf den Weltmärkten bestehen.
Wie gut sind die Unternehmen auf die neuen Zölle vorbereitet?
Das ist unterschiedlich. Größere Mittelständler mit langjährigem Export-Know-how haben gewisse Puffer und alternative Absatzstrategien vorbereitet. Aber viele kleinere und mittlere Unternehmen, die sich ganz bewusst auf Qualität statt auf Masse konzentrieren, werden von der Dynamik überrascht. Als Wirtschaftsförderung wollen wir flankierende Unterstützung bieten – etwa mit Informationsangeboten und durch Kontakte zu neuen Auslandsmärkten. Wir als Region fordern gezielt Förderprogramme, um Unternehmen strategische Umorientierung zu erleichtern – im Idealfall kommt diese Unterstützung direkt von der Europäischen Union, die diesen Zolldeal „ausgehandelt“ hat. Manch einem Kommissionsbeamten würde ein regelmäßiger Einblick in die Realität mittelständischer Unternehmen und in kommunale und regionale Wirtschaftsförderung guttun.
Gibt es denn Ausweichmärkte?
Es gibt Alternativen, aber keine gleichwertigen Ersatzmärkte. Die USA sind nicht nur ein wichtiger Abnehmer, sondern auch Kooperationspartner in Forschung, Entwicklung und industriellen Netzwerken. Der Aufbau neuer Märkte in Asien oder Lateinamerika ist möglich, aber langwierig und ressourcenintensiv.
Was halten Sie von dem Zolldeal?
Aus Sicht der Region ist der Deal problematisch. Er suggeriert Stabilität, führt aber de facto zu neuer Unsicherheit. Die Mittelstandslandschaft braucht klare und langfristig berechenbare Rahmenbedingungen. Zölle als politisches Druckmittel schaden dem Vertrauensverhältnis zwischen Handelspartnern und treffen jene, die ohnehin jeden Tag unter schwierigen Bedingungen Höchstleistungen bringen – unsere innovativen Betriebe im ländlichen Raum. Solche Deals verschärfen strukturelle Nachteile, statt sie zu beheben. Und aus politikwissenschaftlicher Sicht muss man erkennen, dass Europa entweder schlecht verhandelt hat oder, was ich für wahrscheinlicher halte, aus einer Position der Schwäche in anderen Politikfeldern – Stichwort „Verteidigungsbereitschaft“ – zu diesem Zugeständnis gedrängt wurde. Die Situation wirft einen zweifelhaften Blick auf das transatlantische Verhältnis. Unter Freunden sollte es nicht üblich sein, dass man einem mit dem Rücken zur Wand stehenden Partner noch das Messer an die Kehle hält. Dabei anständig zu lächeln, gehört wohl zum Handwerk politischer Überlebenskunst.


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