Bürgerbeteiligungsverfahren dienen in erster Linie der Informationsgewinnung
Angestrebt wird eine Politik des „Gehörtwerdens“

An der Planungswerkstatt Städtebau in Oberkirch nahmen vergangene Woche rund 70 Bürger teil. | Foto: Foto: Stadt Oberkirch
  • An der Planungswerkstatt Städtebau in Oberkirch nahmen vergangene Woche rund 70 Bürger teil.
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Ortenau. Einsame Entscheidungen werden in kaum einer Kommune noch gefällt. Gerade bei
großen Projekten – die Umgestaltung der Oberkircher Innenstadt, das
Verkehrskonzept in Kehl, die Entwicklung des Mühlbachareals in Offenburg
– versuchen die Städte und Gemeinden, die Bürger mit ins Boot zu holen
und bieten unterschiedliche Beteiligungsformen an. „Bürgerbeteiligung
ist ein schillernder Begriff“, stellt Prof. Dr. Aribert Kopnarski fest,
der an der Hochschule Kehl unterrichtet. Rein formal würde man eine Form
der direkten Demokratie darunter verstehen. „Die Bürger, nicht die
Gemeinderäte oder Landtagsabgeordneten, würden die Entscheidung fällen“,
so Kopnarski. Das sieht eine repräsentative Demokratie allerdings nur
in geringem Ausmaß vor.

„Das Land Baden-Württemberg möchte aber mehr machen“, so der Hochschulprofessor. Angestrebt werde eine Politik
des Gehörtwerdens. „Das heißt nicht, dass der Landtag nicht mehr
entscheiden, sondern dass die Bürger gehört werden, bevor eine
Entscheidung gefällt wird“, macht Kopnarski den Unterschied deutlich.
Festgelegt ist das in dem „Leitfaden für eine neue Planungskultur“, den
das Land Baden-Württemberg sich gegeben hat. Ziel sei es, die Bürger zu
informieren und mitzunehmen bei den Entscheidungen. Dabei gelte es,
unterschiedliche Fragen zu klären: Wer kann beteiligt werden? In welcher
Form kann informiert werden? Reichen die gesetzlich verankerten
Beteiligungsverfahren aus?

„Die Kommunen sind von dem Leitfaden nicht betroffen, aber keine wäre gut beraten, große Projekte ohne
Beteiligungsverfahren durchzuführen“, findet Kopnarski. Eine
Einschätzung, die viele Städte und Gemeinden teilen, sie setzen auf die
unterschiedlichsten Formen der Bürgerbeteiligung. „Es gibt die formelle
Beteiligung, also den nach Gemeindeverordnung möglichen
Bürger-entscheid“, erklärt der Experte. „Es gibt aber auch informelle
Beteiligungen wie Bürgerinformation oder Zukunftswerkstätten.“ Beide
Spielarten seien zweckmäßig, auch wenn bei der reinen Bürgerinformation
die Möglichkeit bestünde, dass der Informationsabend von den Bürgern
verpasst werde. „Meistens beginnt das Interesse erst bei einer
Betroffenheit“, so Kopnarski. Dann sei es aber oft zu spät: Die
Bürgerinfo wurde nicht wahrgenommen, der Planungsprozess ist
fortgeschritten, die Möglichkeit der Einflussnahme von Seiten der
Betroffenen geringer.

Bei einer Zukunftswerkstatt wird ein Querschnitt der Bevölkerung angeschrieben und gezielt zu allgemeinen
Themen angehört. „Für welche der beiden Formen sich eine Kommune
entscheidet, hängt immer auch vom Thema ab“, ist sich Kopnarski sicher.
Ziel sei in der Regel, nicht nur die Betroffenen mit einzubinden,
sondern auch neue Impulse gemeinsam mit den Bürgern zu finden.

„Was nie gelingt ist, alle zufrieden zu stellen“, mahnt Kopnarski. Dies
gelte gerade bei der Information von Betroffenen. Ein weiterer wichtiger
Punkt, um Frustrationen bei den Bürgern in den Verfahren zu vermeiden:
„Man muss den Bürgern deutlich machen, ob es sich um einen
Beteiligungsprozess oder einen Mitbestimmungsprozess handelt.“ Denn
diene der Beteiligungsprozess lediglich der Informationsgewinnung,
sollte den Bürger von Beginn an klar gesagt werden, dass nicht sie,
sondern am Ende der Gemeinderat entscheidet. „Das muss man den Bürgern
deutlich machen, denn viele haben in diesem Punkt falsche
Vorstellungen“, macht Aribert Kopnarski eine Quelle möglicher
Unzufriedenheit bewusst.

Autor: Christina Großheim

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