"WhatsApp" gegen die Verunsicherung
Arbeit mit Geflüchteten in Zeiten von Corona

Die Stadt Kehl informiert Flüchtlinge per "WhatsApp" über Verordnungen und Co. | Foto: Stadt Kehl
  • Die Stadt Kehl informiert Flüchtlinge per "WhatsApp" über Verordnungen und Co.
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Kehl (st). Die Halbwertszeit von Notverordnungen, Allgemeinverfügungen und neuen Regelungen ist kurz: Seit sich der Corona-Virus auch im Ortenaukreis immer mehr ausbreitet, wachsen auch bei den in Kehl lebenden rund 1.000 Geflüchteten Unsicherheit und Angst. Selbst für die Flüchtlinge, die inzwischen gut Deutsch sprechen, ist zum einen die Flut der Veröffentlichungen zum Thema Corona kaum überschaubar, zum anderen die Behördensprache nicht immer verständlich. Das Team des städtischen Integrationsmanagements hat deshalb über Telefon, E-Mail und vor allem den Messenger-Dienst "WhatsApp" ein Informationsnetzwerk aufgebaut und verschickt die wichtigsten Informationen in Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch, Kurdisch, Tigrinja und Dari an 230 Kontaktpersonen mit Multiplikatorenfunktion. „Wir erreichen damit etwa 900 der rund 1.000 in Kehl wohnenden Geflüchteten“, schätzt Integrationsmanagerin Svenja Gerbendorf.

Integrationsmanagement

Integrationsmanagement bedeutet in normalen Zeiten vor allem tägliche Sprechstunden, in denen Geflüchtete ihre Probleme – vor allem mit der deutschen Bürokratie – persönlich vortragen. In den Sprechstunden wird ihnen beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen geholfen, wird ihnen erklärt, bei welchem Problem, welche Behörde oder welche Einrichtung für sie zuständig ist. In Zeiten von Corona und Kontaktsperre sind diese Sprechstunden nicht mehr möglich – Geflüchtete können beim Integrationsmanagement-Team ebenso nur noch in Notfällen und bei unaufschiebbaren Angelegenheiten vorsprechen – analog zur Situation in allen Kehler Rathäusern. Und selbst in dringenden Fällen versucht das Team, die Anliegen per E-Mail oder Post zu erledigen.

Telefonliste

„Viele haben Angst und gehen gar nicht mehr raus“, haben Svenja Gerbendorf und Fares Mousa bei den telefonischen Kontakten mit ihren Klienten festgestellt und daher beschlossen, die Informationen über die Corona-Lage für die Geflüchteten so aufzubereiten, dass sie eine möglichst große Zahl von ihnen erreichen. Integrationsmanagerin Tamina Braunewell hat eine Telefonliste mit 230 Kontakten erarbeitet; Fares Mousa übersetzt die Infobotschaften, die sowohl als schriftliche "WhatsApp"- oder E-Mail-Nachricht als auch als Sprachbotschaft verschickt werden, ins Arabische und Kurdische. Die Übersetzung ins Englische, Französische, in Dari und in Tigrinja (was in Eritrea gesprochen wird), übernehmen Mitglieder des Dolmetscher-Pools. Sie verfassen auch die Sprachnachrichten, die vor allem für Geflüchtete wichtig sind, welche nie Lesen und Schreiben gelernt haben.

Rückmeldungen

Verschickt werden die Nachrichten immer von Mitarbeitenden im Integrationsmanagement – und die sind von der Resonanz ziemlich überwältigt: Sie bekommen jede Menge Dank über die jeweiligen Kanäle übermittelt – auch von Geflüchteten, die sie gar nicht persönlich angeschrieben haben und die von einem der 230 Multiplikatoren benachrichtigt wurden. „Ein Zeichen, dass die Verbreitung der Nachrichten funktioniert“, freut sich Svenja Gerbendorf. Viele der Geflüchteten seien froh, die wichtigen Nachrichten zur Corona-Situation in ihrer Muttersprache zu bekommen, bestätigt auch Tamina Braunewell, „auch wenn sie schon gut Deutsch können“. Fares Mousa kann das gut nachvollziehen: „Durch die Nachrichten in der Muttersprache haben die Leute das Gefühl, dass sich wirklich jemand um sie kümmert.“ Viele verglichen die Situation mit der in ihren Herkunftsländern: Sie seien erstaunt, dass es auch in Deutschland ein Problem gegeben könne, auf das gerade niemand eine Lösung habe „und froh, dass trotzdem alles so geordnet abläuft“.

Verständnis

In der ersten Nachricht an die Geflüchteten hat das Integrationsmanagement-Team das Versammlungsverbot erklärt und über zusätzliche Telefonate deutlich gemacht, dass sich auch Verwandte nicht besuchen sollen, wenn sie nicht unter einem Dach leben und dass Enkel und Großeltern im Moment besser nicht zusammenkommen. Das Verständnis für diese Maßnahmen sei unter den Geflüchteten groß, sagt Fares Mousa, auch wenn die Familien sonst teilweise ein engeres Verhältnis pflegten als manche Einheimische. „Viele sind eher übervorsichtig.“ In einer zweiten Nachricht wurden die Geflüchteten auf das hohe Infektionsrisiko hingewiesen und die damit verbundenen Verhaltensregeln, also zum Beispiel: Was ist zu tun, wenn sich jemand krank fühlt? Dem Team ist es wichtig, nun regelmäßig Nachrichten zu verschicken: „Das ist auch ein Zeichen, dass es noch nicht vorbei ist“, meint Svenja Gerbendorf.

Wenn Post von Behörden kommt, möchten manche Geflüchteten immer noch am liebsten zu den ihnen bekannten Beraterinnen und Beratern ins Büro kommen. „Sie können manchmal nicht so gut unterscheiden, was dringend ist und was nicht“, erklärt die Integrationsmanagerin, vertrauten dann aber auf den Rat der Teammitglieder. Und was wirklich wichtig ist, kann in der Regel per Mail oder per Post auf den Weg gebracht werden. Die Zusammenarbeit mit dem Bürgerservice der Stadt, dem Ausländeramt, dem Jobcenter und dem Migrationsamt sei sehr gut, lobt Svenja Gerbendorf. Tamina Braunewell und Fares Mousa können das nur bestätigen: „Alle sind in dieser besonderen Situation sehr kooperativ, flexibel und hilfsbereit.“

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