Zeitzeugen-AG-Spende
Bäume gegen das Vergessen

Die beiden neu gepflanzten Bäume stehen direkt neben der Passerelle.  | Foto: Stadt Kehl
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  • Die beiden neu gepflanzten Bäume stehen direkt neben der Passerelle.
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Kehl (st). Man soll nie die Geschichte verschweigen. Dazu fordern zwei Gedenktafeln an den beiden Bäumen – eine Gleditschie und eine Silberlinde – am Rheinufer neben der Passerelle auf, die am Donnerstag gepflanzt wurden. Die Bäume hat die Stadt Kehl von der Zeitzeugen-AG des Einstein-Gymnasiums geschenkt bekommen. Finanziert haben die Jugendlichen die Bäume mit dem Preisgeld, das sie beim bundesweiten Wettbewerb „Erinnerung sichtbar machen – 80 Jahre Reichspogromnacht“ für ihren dritten Platz bekommen haben.

„Täglich gehen am Rhein hunderte von Menschen entlang. Wir sind daher sehr froh, dass wir so einen prominenten Standort für die beiden Bäume bekommen haben“, sagt Uli Hillenbrand, Lehrer am Einstein-Gymnasium und Koordinator der Zeitzeugen-AG. Gemeinsam mit Frank Wagner, Leiter des städtischen Grünflächenmanagements, Dr. Ute Scherb, Leiterin des Stadtarchivs und Museums sowie Hans-Ulrich Müller-Russell vom Historischen Verein, haben die Schüler die beiden Bäume in die Erde gesetzt. Und kaum war die Aktion beendet, blieben zwei Damen stehen, um zu fragen, was es mit den Gedenktafeln auf sich habe.

Weil sich im vergangenen Jahr die Reichspogromnacht zum 80. Mal jährte, hatte die „Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet“ Schüler aufgefordert, das Gedenken an diesen schicksalhaften Tag wachzuhalten und eigene Projekte zur Aufarbeitung der Geschichte einzureichen. An dem Schülerwettbewerb nahmen mehr als 30 Schulen aus Deutschland und sogar aus Polen und Mexiko teil. Mit ihrem Filmbeitrag „Ein Tag im November“, in dem es um die Verfolgung in Kehl lebender Juden geht, erreichte die Zeitzeugen-AG des Einstein-Gymnasiums den dritten Platz.

Sehr schnell stand laut Uli Hillenbrand für die Schüler fest, dass sie den Großteil des Preisgeldes spenden wollen: „Genau wie mit unserem Wettbewerbsbeitrag wollen wir mit den beiden Bäumen ein sichtbares Zeichen hinterlassen“, fasst er die Entscheidung der Zeitzeugen-AG zusammen. Wie die jungen Bäume solle auch die Erinnerungskultur stetig weiter wachsen.

Bei der Auswahl der Baumarten haben sich die Schüler gewünscht, dass diese das Anliegen des Wettbewerbsbeitrags widerspiegeln. Frank Wagner fand denn auch zwei symbolträchtige Sorten: So hat die amerikanische Gleditschie kleine Dornen an ihrer Borke. „Sie weiß sich also zu wehren und stellt gleichzeitig die oftmals harte Vergangenheit bildlich dar“, erklärte Frank Wagner.

Die Silberlinde stehe durch robusten Wuchs hingegen für Langlebigkeit. Zudem blühe sie genau zur Zeit des sogenannten Sommerlochs für die Insekten. Dabei handelt es sich um die Zeitspanne, in der nur wenige Bäume blühen und somit nur in geringer Zahl Pollen vorhanden sind.

Die Spende in Höhe von 2000 Euro deckt die Kosten für die Anschaffung der beiden Bäume und deren Pflanzung. Auch die ersten drei Jahre der Pflegearbeiten sind damit bereits finanziert. Danach pflegt die Stadt die Bäume auf eigene Kosten, wie die Stadtverwaltung in einer Pressemitteilung schreibt.

Die Zeitzeugen-AG habe sich bewusst dafür entschieden, zwei Bäume zu pflanzen, als Zeichen dafür, dass keiner alleine stehen soll: „Die damaligen Ereignisse und die Gewalt fanden mitten unter den Augen der Öffentlichkeit statt. Sie zeigen, wohin Isolation und Ausgrenzung führen können“, erläutert Uli Hillenbrand. Neben der Anzahl sei aber auch der Standort direkt am Rhein mit Blick auf Frankreich bewusst gewählt: Die Silberlinde und die Gleditschie sollen zu Offenheit gegenüber anderen Kulturen aufrufen.

Hintergrund

Bereits seit dem Schuljahr 2015/16 besteht die Zeitzeugen-AG als Projektgruppe des Einstein-Gymnasiums. Seitdem arbeiten die beteiligten Schüler daran, Geschichte in Kehl und der Region erlebbar zu machen. So haben sie bereits mehrere CDs mit Zeitzeugenberichten herausgebracht. Dazu kooperieren sie eng mit dem Stadtarchiv Kehl und dem Historischen Verein Kehl. An dem Filmbeitrag „Ein Tag im November“ zum Wettbewerb „Erinnerung sichtbar machen – 80 Jahre Reichspogromnacht“ haben die 16 Jugendlichen circa ein Jahr gearbeitet. Einige Zeitzeugenaussagen, die im Laufe der Projektarbeiten entstanden sind, werden auch in der neuen Ausstellung "Goldene Zwanziger? Kehl in der Weimarer Republik" im Hanauer Museum zu hören sein, die vom 30. Juni an zu sehen sein wird.

Die beiden neu gepflanzten Bäume stehen direkt neben der Passerelle.  | Foto: Stadt Kehl
Einige Schüler der Zeitzeugen-AG pflanzen gemeinsam mit ihrem Lehrer und Koordinator der Zeitzeugen-AG, Uli Hillenbrand (5. v. l.), Frank Wagner, Leiter des städtischen Grünflächenmanagements (4. v. l.), Dr. Ute Scherb, Leiterin des Stadtarchivs und Museums (6. Person von links) sowie Hans-Ulrich Müller-Russell vom Historischen Verein (3. v. r.) die amerikanische Gleditschie mit einer Gedenktafel.  | Foto: Stadt Kehl

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