Besuch in Kehler Obdachlosenunterkunft
Weihnachten im Zuhause auf Zeit

Barbara Le Coz-Holzbauer (4. v. l.) gemeinsam mit einigen der Männer aus der Einrichtung und Christine Lux (2. v. r.), die im Dezember die Leitung des Bereichs Sozialwesen übernommen hat.  | Foto: Stadt Kehl
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  • Barbara Le Coz-Holzbauer (4. v. l.) gemeinsam mit einigen der Männer aus der Einrichtung und Christine Lux (2. v. r.), die im Dezember die Leitung des Bereichs Sozialwesen übernommen hat.
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Kehl (st). Für die meisten Menschen wird das Weihnachtsfest in diesem Jahr anders ausfallen, als in den Jahren zuvor. Auch in der Obdachlosenunterkunft in Kehl stellen sich die Bewohner auf eine besonders stille Nacht ein. Trotz Corona wird in der Einrichtung versucht, für weihnachtliche Stimmung zu sorgen. Neben der Eigeninitiative der Bewohner gelingt dies zuletzt auch durch tatkräftige Unterstützung vieler Helferinnen und Helfer.

Saubermachen vor den Festtagen

Herr Müller (Anm. d. Red.: Name geändert) steht in der Eingangstür der Obdachlosenunterkunft und fegt die Treppen. Er ist der älteste Bewohner der Einrichtung. Mit seinen 82 Jahren gehört er in diesem Corona-Jahr zur sogenannten Risikogruppe. Für die bevorstehenden Festtage nochmal gründlich sauber zu machen, lässt er sich jedoch nicht nehmen.

In vielen der Wohnungen, die sich zwei bis drei Männer teilen, haben die Bewohner sich eigene kleine Weihnachtsbäume gekauft. „Man merkt richtig die Bedeutung und Tradition der hohen Feiertage, da ist es den Männern sehr wichtig, dass es ordentlich ausschaut“, sagt Barbara Le Coz-Holzbauer. Seit sechs Jahren ist sie in der größten Obdachlosenunterkunft in Kehl tätig. Bis zu 20 Personen finden dort eine temporäre Zuflucht. Der jüngste Bewohner ist gerade 19 Jahre alt.

„Vor allem bei den jungen Menschen ist es mir sehr wichtig, dass sie zügig wieder auf die Beine kommen. Sie brauchen eine Tagesstruktur. Wenn die nicht vorhanden ist, geht schnell die Motivation verloren, sich überhaupt aufzuraffen.“ Auch wenn sie dort ihr Büro hat, so ist sie eigentlich für das Obdachlosenwesen in ganz Kehl zuständig: „Wir haben auch viele dezentrale Wohnungen in der Stadt, die wir von der städtischen Wohnbaugesellschaft mieten“, sagt sie. Barbara Le Coz-Holzbauer ist Ansprechpartnerin bei Problemen, kümmert sich um die Aufteilung der Hilfesuchenden auf die einzelnen Gebäude, organisiert Termine beim Amt oder bei Ärzten.

Das Alltagsleben, Waschen, kochen, einkaufen und die Wohnungen sauber halten, müssen die Männer jedoch selbst organisieren. „Mein Ziel ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Die Männer müssen eine gewisse Eigenständigkeit bewahren, denn ich möchte ja erreichen, dass sie die Unterkunft irgendwann wieder verlassen und sich eine Zukunft aufbauen.“ Ihr Zuhause auf Zeit, versucht Barbara Le Coz-Holzbauer den Bewohnern jedoch so angenehm wie möglich gestalten – vor allem jetzt in der traditionsreichen Weihnachtszeit, die durch Corona durcheinandergewirbelt wurde.

Dass ihr das Christfest am Herzen liegt, merkt man, wenn man die Einrichtung betritt. Überall ist weihnachtliche Dekoration verteilt, schmücken Gestecke die Fenster und Türen. Im Aufenthaltsraum ein Adventskranz aus Metall, die Tischdecke verziert mit Stechpalmen-Muster und sogar auf den Servietten prangen Sterne. Normalerweise würde Barbara Le Coz-Holzbauer für die Bewohner am 23. Dezember ein Essen ausrichten, das sie selbst gezaubert hat: Traditionell dürfen sich die Männer auf Schäufele und Kartoffelsalat freuen.

„Als ich noch ganz neu war, habe ich zu Weihnachten Wiener Schnitzel gemacht“, sagt die gebürtige Kärntenerin und fügt lachend hinzu: „Das kam aber nicht so gut an.“ In diesem Jahr muss auf ein geselliges Beisammensein und gemeinsames Essen verzichtet werden. Bereichert wird der Vorweihnachtsabend bereits seit mehreren Jahren durch die Initiative der „Tanzmädels“ des DRK. Muss dieser 2020 zwar ausfallen, so haben die Frauen dennoch nicht die Füße stillgehalten: Für jeden Bewohner gibt es eine eigens gekaufte und liebevoll gestaltete Weihnachtsgeschenktüte. Und auch Barbara Le Coz-Holzbauer lässt es sich nicht nehmen, jeden der Männer mit einer Kleinigkeit zu bedenken. „Was das ist, wird aber nicht verraten“, sagt sie augenzwinkernd.

Viele Hände unterstützen die Obdachlosenunterkunft

In diesem von Corona gezeichneten Jahr gab es eine besondere Welle an Solidarität für die Einrichtung: „Wir haben so viele Sachspenden bekommen, die ich erst mal in unserem Lager sammeln musste.“ Barbara Le Coz-Holzbauer ist regelrecht überwältigt: „In der Weihnachtszeit bekamen wir zwei große Adventsstollen geschenkt und auch die Außendekoration haben Freiwillige angebracht.“

Wer helfen möchte, meldet sich am besten telefonisch unter 07851/882530 bei Barbara Le Coz-Holzbauer und fragt gezielt nach, was gebraucht wird: „Manchmal ist akut Bedarf da, zum Beispiel nach Geschirr oder Kleidung. Aber was wir eigentlich immer brauchen können, sind größere Elektrogeräte wie Herd, Waschmaschine oder Kühlschränke oder Möbel.“ Die Spenden werden dann auf die einzelnen Einrichtungen verteilt, je nachdem, wo gerade Bedarf ist. Besonders freuen würde sich Barbara Le Coz-Holzbauer über regelmäßige Unterstützung. So erhält die Einrichtung einmal wöchentlich von der Bäckerei Hornung übrig gebliebene Lebensmittel vom Vortag. „Aber es gibt noch so viele Menschen, die stets helfen, ich möchte mich gerne stellvertretend bei allen bedanken.“

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