Einsatz für Versöhnung
Eva Mendelsson wird Ehrenbürgerin von Offenburg

Eva Mendelsson nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes im Mai 2022 | Foto: Michael Bode
  • Eva Mendelsson nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes im Mai 2022
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Offenburg (st) Im Mai 2022 wurde Eva Mendelsson mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Jetzt wird sie auch Ehrenbürgerin der Stadt Offenburg. Das hat der Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung am Montag, 28. Juli 2025, einstimmig beschlossen.
Oberbürgermeister Marco Steffens unterrichtete die in Großbritannien wohnhafte 94-Jährige telefonisch über den Beschluss. Sie nahm die Ehrung an. Der Festakt zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde wird Ende November stattfinden. Eva Mendelsson ist nach Aenne Burda die zweite Frau, die Ehrenbürgerin der Stadt Offenburg wird.

Der Beschluss des Gemeinderats lautet: „Der Gemeinderat beschließt, Frau Eva Mendelsson, geb. Cohn, geboren am 27. März 1931 in Gengenbach und bis 22. Oktober 1940 wohnhaft in Offenburg, in Anerkennung ihres außerordentlichen Engagements als Zeitzeugin, Aufklärerin und Künstlerin sowie ihres langjährigen Wirkens für Versöhnung, Erinnerungskultur und das Gemeinwohl mit dem Ehrenbürgerrecht der Stadt Offenburg auszuzeichnen.“
Mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft würdigt die Stadt Offenburg die Jahrzehnte lange Arbeit Eva Mendelssons im Geist der Versöhnung und der Aufarbeitung der Geschichte der NS-Diktatur. Ihre Mutter und eine Schwester waren im Zuge des Massenmoders an den europäischen Juden im Vernichtungslager Auschwitz ermordet worden. Sie selbst und eine weitere Schwester überlebten den Holocaust.

Außergewöhnliches Engagement

In der Begründung heißt es: „Mit ihrem langjährigen Wirken als Zeitzeugin, Bildungsvermittlerin und Künstlerin hat Eva Mendelsson maßgeblich zur politischen Bildung, Erinnerungskultur und zum kulturellen Leben in Offenburg beigetragen. Besonders ihr Engagement in Schulen, wo sie jungen Menschen persönliche Einblicke in die Zeit des Nationalsozialismus vermittelt, sowie ihre textile Kunst, die Themen wie Identität, Erinnerung und Humanität aufgreift, zeichnen ihr vielfältiges Wirken aus.
Auf diese Weise setzt sie wichtige Impulse für eine lebendige Auseinandersetzung mit Geschichte und deren Bedeutung für die Gegenwart. Ihr außergewöhnliches Engagement für Verständigung, Versöhnung und das Gemeinwohl macht sie zu einer würdigen Trägerin des höchsten Ehrenzeichens der Stadt Offenburg.“

Zum Werdegang der neuen Ehrenbürgerin führt die Beschlussvorlage aus: „Eva Mendelsson, geb. Cohn ist eine von drei Töchtern der damals in der Wilhelmstraße wohnhaften Offenburger jüdischen Familie Cohn. Schon als Kind erlebte sie die Diskriminierung, Stigmatisierung und Entrechtung ihrer Familie mit. Unter anderem durfte sie nicht mit den anderen Offenburger Kindern ihres Alters zur Schule gehen, sondern musste eine Einrichtung ausschließlich für jüdische Kinder in Freiburg besuchen.

Im Zuge der Pogromnacht vom 9. auf 10. November 1938 wurde die Wohnung der Familie angegriffen und der Vater, Eduard Cohn, verhaftet und sechs Wochen lang im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Die jüdischen Männer von Offenburg wurden vor dem Eisenbahntransport nach Dachau in demütigender Form durch die Stadt getrieben und der Verhöhnung durch eine aufgewiegelte Menschenmenge ausgesetzt. Erst nach der erpressten Zusage, mit seiner Familie auszuwandern, wurde Eduard Cohn freigelassen.
Er begab sich nach London, um die Auswanderung der Familie vorzubereiten. Dort wurde er vom Ausbruch des Krieges überrascht. Die Familie blieb schutzlos zurück und verlor den Kontakt zu ihm.

Deportation der badischen Juden

Im Zuge der von dem nationalsozialistischen Gauleiter von Baden, Robert Wagner, angeordneten Deportation der badischen Juden wurden die Mutter, Sylvia Cohn, die Schwester Myriam und Eva selbst am 22. Oktober 1940 in das Konzentrationslager Gurs im besiegten Frankreich am Fuß der Pyrenäen deportiert. Esther, eine weitere Schwester, war zu diesem Zeitpunkt wegen einer Polio-Erkrankung in therapeutischer Behandlung in München.
Myriam und Eva wurden von einer internationalen Hilfsorganisation aus dem Lager Gurs heraus unter großen Gefahren in die Schweiz geschmuggelt. Dort überlebten sie die Nazi-Herrschaft und den Genozid an den europäischen Juden in einem Kinderheim.
Nach dem Krieg erfuhren sie, dass ihre Mutter und ihre Schwester in das Vernichtungslager Ausschwitz transportiert und dort in der Gaskammer ermordet worden waren.

Eva Mendelsson siedelte nach Großbritannien über und gründete eine Familie. Aus der Ehe mit Wolfgang Mendelsson gingen drei Kinder hervor. Die verwitwete Eva Mendelsson lebt heute in Großbritannien in der Grafschaft Herefordshire.
Nach dem erlittenen Leid und den Demütigungen, denen sie als Kind ausgesetzt war, hatte sie ursprünglich den Vorsatz, nie wieder nach Deutschland zurückzukehren.

Das änderte sich, als sie 1986, über 40 Jahre nach Kriegsende, eine Einladung der Stadt Offenburg erhielt und diese annahm. Eva Mendelsson war beeindruckt von der freundlichen Aufnahme und der ehrlichen Anteilnahme an ihrem Schicksal.
In der Folge begann sie in enger Zusammenarbeit mit dem Offenburger Historiker Martin Ruch, die Geschichte ihrer Familie und der jüdischen Gemeinde in Offenburg aufzuarbeiten. Über viele Jahre hinweg trat sie mit großem persönlichem Einsatz dafür ein, die Erinnerungskultur zu erhalten und sich für Toleranz, Menschlichkeit und eine friedliche Zukunft stark zu machen.

Einsatz für Erinnerungskultur

Über drei Jahrzehnte Jahre lang reiste sie jedes Jahr nach Offenburg und trat als Zeitzeugin in Schulklassen und bei Veranstaltungen auf. Dort berichtete sie über das Schicksal der Familie während der NS-Zeit und eröffnete dadurch einen wichtigen emotionalen Zugang zum Thema der Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Offenburger Bevölkerung.

Trotz des schrecklichen Schicksals ihrer Familie hat Eva Mendelsson die Hand zur Versöhnung ausgestreckt, insbesondere gegenüber der jungen Generation. Menschliche Größe und ihr bemerkenswerter Humor machen sie zu einem Vorbild für alle Generationen. Trotz des ausländischen Wohnsitzes wird sie von der Stadtgesellschaft als echte Offenburgerin betrachtet.“

Bisherige Auszeichnungen und Ehrungen

Eva Mendelssons kontinuierlicher Beitrag zur Erinnerungskultur auch über die Grenzen der Stadt Offenburg hinaus sowie ihre literarische Aufarbeitung der NS-Zeit wurde bereits mehrfach durch öffentliche Auszeichnungen gewürdigt.

Im Jahr 2006 zeichnete sie die Evangelische Kirchengemeinde Gengenbach mit der Hermann-Maas-Medaille aus und ehrte damit ihren herausragenden Einsatz für Versöhnung und Bewahrung der Erinnerung an die Shoah.

Am 27. Januar 2017, dem Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus zeichnete die Stadt Offenburg Eva Mendelsson gemeinsam mit dem Historiker Martin Ruch im Ritterhausmuseum mit dem Stadttorzeichen der Stadt Offenburg aus. Damit wurde ihr langjähriges Engagement in der Erinnerungskultur sowie ihre herausragenden Beiträge zur Dokumentation und Bewahrung der jüdischen Geschichte in Offenburg geehrt. Erst durch ihre intensive Netzwerkarbeit konnten zahlreiche Verbindungen zu ehemaligen jüdischen Familien aus Offenburg geknüpft werden, wodurch ein wesentlicher Grundstein für die heutige Gedenkarbeit gelegt wurde.

Neben Eva Mendelssons langjähriger und engagierter Aufklärungsarbeit an Schulen finden ihre Erinnerungen und ihre jüdischen Wurzeln Ausdruck in ihrem künstlerischen Schaffen, insbesondere die Textilkunst. Anlässlich ihres 80. Geburtstags, den Eva Mendelsson in Offenburg feierte, eröffnete das Museum im Ritterhaus die erste Einzelausstellung der Künstlerin, in der sie ihre kunstvollen Stickarbeiten erstmals in Offenburg der Öffentlichkeit präsentierte. Dem Museum hat sie einen von ihr künstlerisch gestalteten Wandteppich geschenkt, mit dem sie das Schicksal ihrer Familie verarbeitete. Dieser ist dort auch ausgestellt. Ein besonderer Moment in Eva Mendelssons künstlerischem Wirken war die Übergabe des von ihr handgefertigten Thora-Mantels an die Stadt Offenburg im Jahr 2022. Anlässlich der Wiedereröffnung des Salmens überreichte sie das kunstvoll gestaltete Stück, das seither dort ausgestellt ist.

Im gleichen Jahr wurde Eva Mendelsson im Raum der früheren jüdischen Synagoge im Salmen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Gewürdigt wurde damit ihr rund drei Jahrzehnte umfassendes Engagement für Versöhnung und Erinnerungskultur. Ihren Besuch schloss die damals 91-Jährige mit dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Offenburg ab.

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