Sauberer Weinbau dank Photokatalyse
Prototyp der Hochschule Offenburg

Beim letzten Meeting fast aller wissenschaftlich-technischer Konsortiumspartner in Offenburg vor der Corona-Krise wurde der in Offenburg entworfene und aufgebaute Prototyp präsentiert. | Foto: Hochschule Offenburg
  • Beim letzten Meeting fast aller wissenschaftlich-technischer Konsortiumspartner in Offenburg vor der Corona-Krise wurde der in Offenburg entworfene und aufgebaute Prototyp präsentiert.
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Offenburg (st). Das Wissenschaftskonsortium „PHOTOPUR“, zu dem auch die Hochschule Offenburg gehört, hat einen Prototyp entwickelt, der Abwässer aus den Weinbergen von Pflanzenschutzmittelrückständen reinigen kann.

Die aktuell warmen Temperaturen sind gut für einen edlen Tropfen. Sie beflügeln aber auch den Schädlings- und Pilzbefall der Reben, der nur mit Pflanzenschutzmitteln zu bekämpfen ist. Die für Schädlinge tödlichen Substanzen werden durch Regen allerdings auch in naheliegende Gewässer gespült. Und beim Reinigen der Sprühgeräte kann das Gift in die Abwässer gelangen und somit Bäche und Seen sowie kleine Lebewesen dauerhaft schädigen. Über Kanalanschlüsse können die verunreinigten Abwässer zudem in kommunale Kläranlagen gelangen. Und das hat Folgen: Die Kläranlagen können Pestizide nicht abbauen, sodass die schädlichen Rückstände über den Vorfluter in angeschlossene Oberflächengewässer und somit auch zum Menschen gelangen können.

Beseitigung von Pflanzenschutzmitteln

Um dies zu vermeiden, haben die Wissenschaftler von „PHOTOPUR“ einen photokatalytischen Prozess zur Beseitigung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) aus dem Reinigungswasser von Spritzgeräten entwickelt. Bei der Photokatalyse wird durch UV-Licht eine chemische Reaktion ausgelöst, die organische Verbindungen, wie synthetisch erzeugte Pflanzenschutzmittel, mineralisiert, sprich abbaut. Übrig bleiben unbedenkliche Abbauprodukte. Dafür wird das Reinigungswasser in einen Tank am Gerät gefüllt und vorgefiltert. Von dort aus zirkuliert es so lange langsam an dem Photokatalysator vorbei durch den Reaktor, bis es gereinigt ist. Die Energieversorgung, Prozesstechnik und -automation für die photokatalytische Reinigung wurden am Institut für Energiesystemtechnik der Hochschule Offenburg in zwei Bachelorarbeiten entwickelt und und anschließend zum Demosystem ausgebaut. Dieses wurde zuletzt noch um das Reaktormodul für den photokatalytischen Prozess erweitert. Nun ist das Gesamtsystem als mobile Einheit verfügbar und wurde den Partnern für intensive Freiland-Tests übergeben.

Bei den bisherigen Laboruntersuchungen haben die Wissenschaftler das Gerät vorrangig mit Fungiziden, die häufig im Weinbau zum Einsatz kommen, aber auch an einem Herbizid (Glyphosat) und einem Insektizid (Dimethoat) getestet. So wurde die Wirkungsweise unter anderem mit Abwässern untersucht, die das Anti-Pilzmittel Myclobutanil enthielten. Bereits nach 24 Stunden Behandlung im Photokatalysator waren 75 Prozent der Fungizid-Verunreinigung abgebaut.

Als Photokatalysator kommt Titandioxid zum Einsatz, das auf einem metallbasierten Trägermaterial aufgetragen ist. Wissenschaftliche Experimente der Projektpartner hatten gezeigt, dass diese anorganische Verbindung die untersuchten Pflanzenschutzmittel besser abbauen und deren giftige Wirkung reduzieren konnte, als andere Photokatalysatoren. Die Laboruntersuchungen liefen unter realen Bedingungen: Winzer reinigten ihre Geräte auf dem Waschplatz des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum in Neustadt an der Weinstraße und stellten die Abwässer zur Verfügung.

Einfach und kostengünstig

Mit dem Prototyp haben die Winzer nun eine Möglichkeit, ihre Pflanzenschutzgeräte einfach, kostengünstig, umweltfreundlich und mobil zu reinigen und somit den Eintrag der schädlichen Stoffe in die Gewässer zu reduzieren. Ökosysteme in Bächen, Teichen und Seen sowie Trinkwasserreservoirs wären direkt positiv betroffen. „Der Einsatz unseres Geräts ist nachhaltig“, unterstreichen Prof. Elmar Bollin, der das Projekt bis zu seinem Ruhestand geleitet hat, und sein Nachfolger Prof. Michael Schmidt. Der Photokatalysator brauche sich während der Reaktion nicht auf und sei somit theoretisch für eine unbegrenzte Zeit einsetzbar. Auch sei das Gerät energieautark und benötige keine Stromversorgung vom Netz, um Pumpen, Motoren oder Steuerung zu betreiben. Überschüssige Energie werde für den späteren Gebrauch in modernen Hochleistungsakkus gespeichert.

Deshalb verfolgt das "PHOTOPUR"-Konsortium auch einen flächendeckenden Einsatz des Geräts. Noch dieses Jahr soll es zu einem Technologietransfer-Konsortium gewandelt werden, um nach Abschluss der offiziellen Projektlaufzeit (2020) den Prototypen zur Marktreife weiterzuentwickeln. Ziel ist es, gemeinsam mit einem Anlagenbauer das Gerät handlicher, nutzerfreundlicher und bedienerfreundlicher zu gestalten. In zwei Jahren soll das Gerät für den Alltagsgebrauch der Winzer so weit sein. Das Gerät soll dann nicht nur im Weinbau, sondern in allen landwirtschaftlichen Betrieben und in Gärtnereinen zum Einsatz kommen können.

Projekt „PHOTOPUR“

Das Projekt „PHOTOPUR“ ist ein INTERREG-V-Projekt der Wissenschaftsoffensive 2016 in der Trinationalen Metropolregion Oberrhein und wurde vom Europäischen Fond für regionale Entwicklung mit 750 000 Euro gefördert. Insgesamt standen dem Projekt eine Million Euro zur Verfügung. Projektpartner sind neben der Hochschule Offenburg, die Universität Koblenz-Landau, die Universität Straßburg, das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinland-Pfalz sowie das rheinland-pfälzische Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, die Region Grand Est und das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Weitere Informationen gibt es unter photopur.org.

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